Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte in seiner Rede auch vor Sprache, die als "Vorschlaghammer" die Mauer des Humanismus mürbe schlagen könne.

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Vor zehn Jahren fand das Fest der Freude zum Gedenken an die Befreiung vom NS-Regime das erste Mal am Wiener Heldenplatz statt. Bis dahin war der Platz im Zentrum der Bundeshauptstadt Jahr für Jahr durch das so genannte Totengedenken rechter Burschenschaften besetzt. Daran erinnerte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montagabend in seiner Rede.

"Unter dem Vorwand, aller Opfer des Zweiten Weltkrieges zu gedenken", sagte das Staatsoberhaupt, huldigte man in Wahrheit einer "autoritären, führerbezogenen, illiberalen" Zeit. Heute gebe es sie wieder, die "Angst vor einen bunten, vielfältigen Gesellschaft", sagte Van der Bellen und betonte, dass dies eine Ansicht sei, aber keine Haltung.

"Auch Sprache wirkt"

Das heurige Motto des Gedenkens "Zivilcourage" warnte der Bundespräsident davor die Aushöhlung demokratischer Werte zuzulassen. Reden, die diese Werte attackieren, keine Beachtung zu schenken, sei "keine Lösung", denn: "Auch Sprache wirkt." Dies sei schon vor 90 Jahren bei der Machtergreifung Hitlers in Deutschland so gewesen und vor 85 bei der Annexion Österreichs so gewesen. Vielmehr könne solche Sprache der "Vorschlaghammer" sein, der "die Mauer des Humanismus mürbe" schlage. Haltung hingegen "stärkt die sozial-liberale Gesellschaft". Haltung gebe es nicht zum Nulltarif, doch noch "ist der Einsatz überschaubar". Man dürfe nicht warten, bis es "Heldinnenmut benötigt".

Nach Van der Bellen sprach die 92-jährige Zeitzeugin Anna Hackl, deren Mutter auf ihrem Hof zwei sowjetische Kriegsgefangene versteckte. Drei Monate lebte die Familie in großer Angst. "Nikolai und Michail wurden wie Geschwister", sagte Hackl Montagabend. Das Kriegsende und die Befreiung erlebten sie als "großes Glücksgefühl". Nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion verloren die 19-jährige Hackl den Kontakt zu Nikolai und Michail, dann fanden sie sich über sowjetische Medien wieder und es blieb eine "lebenslange Freundschaft" Anna Hackl geht immer noch an Schulen. "Wachsam, vorsichtig sein, dass so etwas nie mehr passiert", das sei ihre Botschaft an die Jungen. Während der Rede von Anna Hackl brandete immer wieder Applaus auf. Am Ende gab es lange Standing Ovations.(Colette M. Schmidt, 8.5.2023)