Ex-Kanzler Kurz ärgert sich über den Bericht des EU-Pegasus-Ausschusses.

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Dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kein großer Fan von Untersuchungsausschüssen sein dürfte, ist klar: Gegen ihn wird ja sogar wegen des Verdachts auf Falschaussage im Ibiza-Ausschuss ermittelt. Nun sorgte aber ein U-Ausschuss auf EU-Ebene für Ärger im Team Kurz – und für einige Verwirrung, die auch der Ex-Kanzler selbst gestiftet hat. Ein Überblick.

Frage: Worum ging es beim U-Ausschuss des EU-Parlaments?

Antwort: Nach Enthüllungen zu mutmaßlich illegalen und menschenrechtswidrigen Abhöraktionen mit der Spionagesoftware Pegasus setzte das EU-Parlament im Jahr 2020 einen U-Ausschuss ein. Er sollte die missbräuchliche Verwendung von Spyware innerhalb der EU klären. Mit Pegasus sollen etwa Oppositionspolitiker, Staatsanwälte und Journalisten in mehreren EU-Staaten ausgespäht worden sein.

Frage: Was hat das mit Kurz zu tun?

Antwort: Hinter Pegasus steckt die israelische NSO Group, die von Shalev Hulio mitgegründet wurde. Mit ebendem ging Kurz nach seinem Rücktritt als Kanzler eine Geschäftsbeziehung ein. Die beiden gründeten im Oktober 2022 ein Start-up namens Dream Security, das kritische Infrastruktur schützen will. Mit der NSO Group will Hulio nichts mehr zu tun haben.

Frage: Warum warnt der EU-Bericht vor Kurz als Verbindungsmann?

Antwort: Kurz ist ja auch für den US-amerikanischen Geschäftsmann Peter Thiel unterwegs. Der hatte Palantir Technologies mitgegründet, ein Unternehmen zur Analyse von Big Data. Zahlreiche Kunden von Palantir finden sich im Sicherheitsbereich, etwa US-Nachrichtendienste oder Polizeibehörden. Der EU-Bericht warnt davor, dass Kurz somit eine Achse zwischen Palantir und dem Pegasus-Miterfinder darstellt.

Frage: Was sagt Kurz dazu?

Antwort: Auf Twitter gab der Ex-Kanzler an, dass er mit der Firma DSIRF überhaupt nichts zu tun habe und dass im EU-Bericht vor einer Verbindung zwischen Kurz und DSIRF gewarnt werde. Erst "durch eine Google-Recherche" hätten sein Team und er feststellen können, dass DSIRF existiert.

"Bei der Qualität und der Menge an Falschinformationen, die verbreitet werden, weiß man als Medienkonsument mittlerweile wirklich nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll", twitterte Kurz.

Frage: Wie kommt jetzt DSIRF ins Spiel?

Antwort: Bei DSIRF handelt es sich um eine mysteriöse Softwareschmiede aus Österreich, die immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat. Sie soll ebenfalls eine Spähsoftware entwickelt haben, die unter anderem gegen Anwaltskanzleien zum Einsatz kam. Gegen frühere DSIRF-Mitarbeiter wird deshalb ermittelt; außerdem wurden Russland-Verbindungen von DSIRF in den Raum gestellt. Mit Kurz hat das aber so gut wie nichts zu tun.

Frage: Taucht Kurz im EU-Bericht in Verbindung zu DSIRF auf?

Antwort: In den Passagen über DSIRF wird Kurz am Rande erwähnt. So soll DSIRF eine Geschäftsbeziehung zu Russian Machines gehabt haben (was DSIRF bestreitet). Dabei handelt es sich um ein Unternehmen aus dem Firmenimperium des russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Aufsichtsratsvorsitzender war dort der Unternehmer Siegfried Wolf, der eine enge Beziehung zu Kurz hat. Letzteres hält der Pegasus-Ausschuss in seinem Bericht fest, mehr nicht.

Frage: Welche Stellen des Berichts sollten gestrichen werden?

Antwort: Die Europäische Volkspartei (EVP) soll mehrere Passagen bekrittelt haben, unter anderem auch jene zu Kurz und dessen Verbindungen zum NSO-Group-Gründer. Diese seien "sachfremd", sagte der EU-Abgeordnete Lukas Mandl zum STANDARD. Allerdings wurden sie in einem zwischen allen Fraktionen verhandelten "Kompromissvorschlag" in den Bericht aufgenommen, sie hatten also eine breite Unterstützung. Dieser Kompromissvorschlag wurde am Montag auch angenommen.

Frage: Wie kam die Verwirrung zustande?

Antwort: Parlamentarische Vorgänge im EU-Parlament sind bekanntermaßen kompliziert. Rund um den Ausschussbericht gab es zahlreiche Abänderungsanträge, teils von der offiziell neutralen Berichterstatterin Sophie in ’t Veld (Liberale), teils von den einzelnen Fraktionen. Die Passage wurde von in ’t Veld als Kompromissvorschlag eingebracht, einzelne Twitter-User dachten jedoch fälschlicherweise, er komme von der Links-außen-Fraktion – diese brachte jedoch den darauffolgenden Abänderungsantrag ein.

Außerdem konnte ein Satz im vorläufigen Bericht falsch verstanden werden. So hieß es da: "Kurz hat enge Verbindungen zum Gründer der NSO Group, und Dsirf, ein großer Hersteller von Spionagesoftware, stammt aus Österreich." Manche lasen den Satz so, dass Kurz zum Gründer der NSO Group und zum Gründer von DSIRF eine enge Verbindung habe. Grammatikalisch ergibt das aber keinen Sinn, sonst müsste es heißen "und von DSIRF, einem großen Hersteller von Spionagesoftware, der aus Österreich" stammt. (Fabian Schmid, 9.5.2023)