Während der Covid-19-Krise waren Gastgärten und Geschäfte geschlossen. Jetzt sind es die Corona-Hilfen, die vorläufig gesperrt sind.

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Wien – Die Serie von Pleiten, Pech und Pannen bei den Covid-19-Hilfszahlungen geht weiter. Nach den verbundenen Unternehmen, denen Staatshilfen ohne Obergrenze bewilligt und heuer im März eingefroren wurden, gibt es neuerlich Streit zwischen der EU-Kommission und der Republik Österreich. Diesmal über den Verlustersatz III.

Das erschließt sich aus Schreiben der Covid-19-Förderagentur Cofag, die Anfang Mai an hunderte Antragsteller und Antragstellerinnen verschickt wurden. Darin informiert die Cofag-Geschäftsführung, "dass ohne Präjudiz der Sach- und Rechtslage eine Auszahlung bis zur Klärung beihilferechtlicher Fragestellungen zwischen dem Bund und der Europäischen Kommission nicht durchgeführt werden darf".

Zu lange Fristen

Der Hintergrund: Die von der EU im Wege des befristeten Beihilfenrahmens erteilte Erlaubnis, Corona-Unternehmenshilfen bis Ende Juni 2022 zu gewähren, wurde von Österreich weidlich ausgenützt. Unternehmen konnten diesen Verlustersatz III, mit dem zwischen Jänner und März 2022 angefallene Geschäftsausfälle beziehungsweise Verluste teilweise abgegolten wurden, hierzulande nämlich bis Ende September beantragen. Und nicht nur bis Ende des zweiten Quartals, wie im "Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von Covid-19" in der Fassung vom 7. November 2022 vorgeschrieben.

Restaurants und Geschäfte, die während der Lockdowns geschlossen waren, bekamen Entschädigungen.
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Es sei zu klären, führt die Cofag in ihrem Schreiben aus, das dem STANDARD vorliegt, ob Anträge, die nach dem 30. Juni 2022 gestellt wurden, diesen Bestimmungen entsprechen". Bis dahin dürfe man den Verlustersatz III nicht zur Auszahlung bringen.

Bitte warten

Das heißt auf gut Deutsch: Hunderte, möglicherweise tausende Unternehmen, vorwiegend in der von der Tourismusflaute in Wien besonders betroffenen Hotellerie und Gastronomie, sitzen auf dem Trockenen. Manche von ihnen können ihre Kredite nicht mehr bedienen oder bleiben Sozialversicherungsbeiträge schuldig. Kommt das Geld nicht bald, beginnt die 60-Tage-Frist zu laufen, ab der Konkursverschleppung droht.

Schlamperei?

Sollte dieser Einwand der "zu späten Beantragung" greifen, echauffiert sich Gerald Zmuegg von dem auf Finanzierungen für Klein- und Mittelbetriebe spezialisierten Beratungsunternehmen Finanzombudsteam, "ist rund die Hälfte der betroffenen Fälle konkursgefährdet, und das alles wegen einer Schlamperei". Allein bei Finanzombudsteam seien bereits 234 Fälle mit Einzelbeträgen bis zu 1,2 Millionen Euro eingelangt, sagt Zmuegg. "Wenn die Auszahlung des Verlustersatzes III ebenso lang dauert wie jene des Vorgängermodells oder mit dieser Begründung nicht ausbezahlt wird, werden sich die Konkurse häufen."

In dem für die Covid-Förderrichtlinien zuständigen Finanzministerium gibt man sich zerknirscht. Man sei darüber mit der EU in Verhandlungen, betont ein Sprecher, suche das Gespräch mit EU-Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager. Einen Termin gibt es noch nicht, man hoffe auf Klärung noch im Mai.

Viele Betroffene

Um welche Fördersummen es bei den betroffenen Unternehmen geht, war bei der für die Abwicklung zuständigen Auszahlungsagentur Cofag am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Es handle sich aber um eine Minderheit der Antragsteller. Betroffen sind allerdings auch Bezieher des Ausfallbonus' III, räumte die Cofag in einer schriftlichen Stellungnahme ein. Dies deshalb, weil die Antragsfrist für diese Förderung bis 9. Juli 2022 erstreckt worden war, also um neun Tage länger als in der Beihilferichtlinie vorgegeben. Von der Aussetzung der Auszahlung betroffen seien 132 Anträge auf Ausfallsbonus III für März 2022 sowie 2.914 Anträge auf Verlustersatz III betroffen. Dabei handle es sich um Anträge die jeweils nach dem 30. Juni 2022 erstmals eingebracht wurden, teilte die Cofag mit.

Anträge, die in Tranchen eingebracht und erstmals vor Ende Juni gestellt wurden, sind demnach vom Stopp nicht betroffen. Auch nicht, wenn die zweite Tranche etwa auf Verlustersatz III erst im Juli gestellt wurde, wird seitens der Cofag betont. Ob diese Einschätzung hält, wird man freilich erst wissen, wenn eine Einigung mit der EU vorliegt.

42 Millionen Euro

Laut den via Website veröffentlichten Daten wurde der Verlustersatz III für 5.263 Unternehmen beantragt, nicht für 9.979 Unternehmen, wie irrtümlich berichtet. Davon seien 2.062 Anträge mit einer gesamt ausbezahlten Fördersumme von 42 Millionen Euro (nicht: 190 Millionen Euro) bereits abgearbeitet und ausbezahlt.

Die längeren Antragsfristen bis Ende September 2022 begründete man im Finanzministerium auf Anfrage übrigens damit, dass für diese Unternehmen aufwendige Prognosen über den künftigen Geschäftsgang beizubringen waren, die von Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern erstellt werden mussten. Dies sollte verhindern, dass überfördert wird oder "Zombie-Betriebe" künstlich am Leben erhalten werden. Diese Vorgangsweise rächt sich nun.

Konzerne und verbundene Unternehmen

Beim ersten, im März vom STANDARD öffentlich gemachten Fauxpas, der ebenfalls hunderte Unternehmen auf die Warteliste katapultierte, war es ein Übersetzungsfehler – oder eine zu lockere Auslegung der EU-Richtlinie, die einen Auszahlungsstopp nach sich zog. Betroffen sind Unternehmen, die einem wirtschaftlichen Eigentümer zuordenbar sind. Sie bekamen – zum Missfallen der EU-Kommission – für jeden Teilbetrieb Hilfsgelder, obwohl dies nach Rechtsauffassung der EU nicht zulässig war.
(Luise Ungerboeck, 10.5.2023)