Die Metropole Tel Aviv gilt als eine der Hochburgen der israelischen Gründerszene.

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Spricht man in Österreich über israelische Tech-Unternehmen, so kommt die Sprache recht bald auf Pegasus – jene Spionagesoftware, die von der dortigen NSO Group entwickelt wurde und zuletzt auch Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wieder in die Schlagzeilen brachte. Denn dieser hatte im Oktober vergangenen Jahres mit Shalev Hulio, dem Gründer der NSO Group, ein neues Unternehmen namens Dream Security gegründet. Dieses fokussiert sich auf den Schutz kritischer Infrastruktur, Hulio selbst will laut Eigenangabe mit der NSO Group nichts mehr zu tun haben.

Doch auch wenn IT-Security einen großen Anteil an der israelischen Tech-Gründerszene hat, hat das "Silicon Wadi" doch viele Facetten. Eine davon ist etwa Green Tech, wie die israelische Tech- und Start-up-Expertin Daphna Wiener auf einer Veranstaltung in Wien erläuterte. Gründe für den Aufschwung der Tech-Nation Israel sieht sie viele, darunter auch die Rolle des Militärs.

15-mal größer als Österreich

Laut Informationen von Start-up Nation Central wurden im vergangenen Jahr 826 Investments in israelische Start-ups getätigt, insgesamt investierten Risikokapitalfonds 15,5 Milliarden Dollar in das Ökosystem, der zweithöchste Wert seit dem Rekordjahr 2021. Zum Vergleich: Laut der Beratungsgesellschaft EY wurde in Österreich insgesamt nur eine Milliarde Euro in Start-ups investiert. Israel hat rund 9,4 Millionen Einwohner, ist also in puncto Bevölkerungsgröße mit Österreich vergleichbar.

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Sowohl in Österreich als auch in Israel war 2022 ein deutliches Minus im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten – welches in beiden Ländern wiederum als Rekordjahr gilt. Wiener erklärt diese Entwicklung für ihr Heimatland, indem sie das Jahr in zwei Hälften teilt. In der ersten Jahreshälfte habe sich der Trend des Vorjahres noch fortgesetzt, die Marktkapitalisierung der Unternehmen stieg weiter, die Nachfrage nach Fachkräften war groß.

Die zweite Jahreshälfte wiederum war geprägt von Unsicherheit auf den Finanzmärkten und Angst vor einer globalen Rezession. Demnach habe es ein allgemeines Herunterskalieren ebenso wie einen Einbruch bei Investments und Exits – also dem kompletten Verkauf der Start-ups durch die Gründer an Konzerne oder Investoren – gegeben. Trotz allem waren der Markt 2022 noch immer größer als zwei Jahre zuvor.

Die größten Tech-Sektoren Israels

Doch was sind nun die größten Branchen der israelischen Gründerszene? Mit insgesamt 122 Investments im Jahr 2022 liegt die Sicherheitstechnologie hier auf Platz drei, die ersten beiden Plätze werden belegt von Konzern-IT und Dateninfrastruktur (162 Investments) sowie von Life-Sciences und Health-Tech (159 Investments).

Auf den weiteren Plätzen finden sich Tech-Unternehmen rund um Landwirtschaft und Wasser (87 Investments) sowie sogenannte Fintechs, also Start-ups mit Fokus auf die Finanzindustrie (71 Investments). Im Dezember 2021 galt das auch hierzulande bekannte Fintech eToro mit einer Bewertung von 10,4 Milliarden US-Dollar als das wertvollste Start-up Israels. Im Jahr 2021 waren Fintechs mit 16,9 Prozent der Investments noch die zweitgrößte Branche des Ökosystems gewesen, Spitzenreiter war auch damals schon das Segment der Enterprise Software (25,3 Prozent).

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Potenzial sieht Wiener definitiv im Bereich Green Tech – nicht zuletzt, weil der Wüstenstaat zum Eigenbedarf an Wasser- und Energietechnologie forschen muss. So habe Solar- ebenso wie Windenergie bereits einen hohen Reifegrad erreicht und verfüge zugleich über ein großes Potenzial, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.

Warum Israel besser gründet

Doch die ökologische Beschaffenheit Israels ist nicht der einzige Grund für den dortigen Gründer- und Erfindergeist – Wiener sieht auch die Mentalität im gesamten Land als Ursache, die sich in staatlicher Unterstützung ebenso wie in einer entsprechenden Ausbildung, einem Funding-Ökosystem und einer Geschäftskultur widerspiegelt: Wer mit seinem Start-up scheitert, der wird nicht stigmatisiert – stattdessen werden Founder als Role-Models gesehen, und Scheitern gilt als Teil des Lernprozesses.

Eine besondere Rolle sieht Wiener aber auch im israelischen Militär und im Wehrdienst, den junge Menschen dort leisten müssen: Bei Männern sind es 32 und bei Frauen 24 Monate, in Spezialeinheiten kann der Wehrdienst sich gar auf fünf bis sieben Jahre summieren.

Dies wird laut Wiener von den jungen Menschen aber oft nicht als Zeitverschwendung, sondern als Teil des Werdegangs gesehen: Im Militärdienst lernen sie, auch abseits klassischer Denkmuster zu agieren und an innovativen Lösungen zu arbeiten. Ganz zu schweigen davon, dass das Militär auch als Sponsor für Forschung und Entwicklung gilt – und in den Geheimdiensten der israelischen Armee auch ein ausgiebiges technologisches Fachwissen vorhanden ist. (Stefan Mey, 11.5.2023)