In der diskutierten Studie wird neben gesellschaftspolitischen Themen und Lebensstilfragen auch das Wissen der muslimischen Jugendlichen über den Islam abgefragt.

Das Bild zeigt eine Innenansicht der Zentralmoschee Köln.

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"Mich stört der Anblick von behinderten Menschen", "Wenn Frauen in der Öffentlichkeit Miniröcke oder freizügige Kleidung tragen, signalisieren sie vor allem sexuelle Bereitschaft". Und: "Auf lange Sicht wird sich der Islam in der ganzen Welt durchsetzen". Es sind Fragen wie diese, die derzeit viele muslimische Schülerinnen und Schüler der neunten Schulstufe im Zuge eines Forschungsprojekts der Uni Wien beantworten sollen.

Die Studie soll klären, welche Effekte der islamische Religionsunterricht in Österreich mit sich bringt. Neben Lebensstilfragen geht es auch stark um die religiöse Einstellung der Jugendlichen. "Menschen anderen Glaubens, wie Juden oder Christen, sind Ungläubige", heißt es etwa.

"Gefühl des Unbehagens"

Die Muslimische Jugend (MJÖ) reagierte empört darauf, sprach von einer "rassistischen Natur" der Studie. Betroffene würden von einem "Gefühl des Unbehagens und des Unverständnisses" darüber berichten, dass ausschließlich muslimische Schülerinnen und Schüler an der Befragung teilnehmen sollen.

Allerdings dreht sich die Studie eben explizit um den islamischen Religionsunterricht. Für das Projekt zuständig ist Ednan Aslan, der stellvertretende Leiter des Instituts für Islamisch-Theologische Studien an der Uni Wien. Aslan und die muslimische Nachwuchsorganisation kamen sich zuletzt vor zwei Jahren wegen seiner "Islamlandkarte" in die Haare. Für den STANDARD war Aslan vorerst nicht erreichbar.

Distanzierung und Bedauern

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) distanzierte sich von der Studie. Er lehne so eine "Art von Befragungen" ab. Auf STANDARD-Anfrage hieß es, es sei eine Studie der Uni Wien: "Sie entspricht nicht unserem Weltbild." Dort nimmt man "die Kritik ernst" und bedauert die entstanden Irritation. Die IGGÖ, die Islamische Glaubensgemeinschaft, forderte ein "Ende manipulativer Forschung zu Muslim*innen".

DER STANDARD bat den Soziologen und Integrationsexperten Kenan Güngör, der selbst regelmäßig sozialwissenschaftliche Studien durchführt, um Durchsicht des Fragebogens. Er nennt die Grundkritik der MJÖ, die um den "Rassismus"-Vorwurf kreist, "völlig absurd, weil sie dem Grundverständnis der Meinungs- und Einstellungsforschung widerspricht. Ein kritischer Blick auf Studien ist legitim, aber die Kritik darf nicht selbstgerecht und vorverurteilend sein."

"Moralisierende" Interpretation von Forschungsdesign

Eine "moralisierende" Interpretation von Forschungsfragen mache "jegliche Form von Einstellungsforschung unmöglich, weil eine Studie, die Vorurteile überprüfen will, natürlich mit Vorurteilen, die ausformuliert werden, arbeiten muss. Wie sonst soll man sie erheben?", sagt Güngör. Das hieße ja, dass man etwa keine Rechtsextremismusforschung betreiben dürfte, weil sich potenziell Rechte beim Ausfüllen des Fragebogens "stigmatisiert" fühlen könnten: "Forschung muss spezifisch sein, aber man muss begründen, was man tut."

Wichtiger und zielführender findet Güngör daher die Debatte über konkrete Aspekte des Forschungsdesigns und die Zielsetzung der Studie. Da übt Güngör "graduelle Kritik, die aber die Wissenschaftlichkeit der Studie nicht infrage stellt, sondern Feedback unter Forschern ist".

"Ein bisschen mehr gemischt"

Generell habe der Fragebogen, was die abgefragten Dimensionen betreffe, "seine Begründung und Richtigkeit". Er nehme "neben der Religiosität die Informiertheit über Religion und auch Lebensstilfragen, die allesamt wichtig sind", in den Blick. Allerdings hätte Güngör eher positiv und eher negativ formulierte Items "ein bisschen mehr gemischt" und so ein paar Kontrollvariablen eingebaut. Stimme jemand der Aussage "Die Frau ist dem Mann untergeordnet" zu, wäre der Satz "Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer" quasi die Gegenprobe.

Teilweise fand Güngör gerade die Wissensfragen auch "ein bisschen zu anspruchsvoll" für Jugendliche in der neunten Stufe, die befragt wurden.

Fehlende Rückkoppelung zum Islamunterricht

Der dritte Aspekt, den er kritisch hinterfragen würde, ist die Frage, ob die Studie das leisten kann, was sie verspricht: "Mir fehlt die Rückkoppelung zum Islamunterricht. Man sieht am Ende Unterschiede, weiß aber nicht, ob sie auf den Religionsunterricht zurückzuführen sind. Wenn die einen über den Islam mehr wissen als die anderen oder ein problematisches Islamverständnis haben – liegt das am Unterricht, an den Eltern, vielleicht an Youtube?" (Jan Michael Marchart, Lisa Nimmervoll, 11.5.2023)