Oliver Ribarich hat mehr als zehn Jahre lang Heinz-Christian Strache beschützt – und noch viel mehr für ihn machen müssen.

Foto: STANDARD/Friesenbichler

Fussel auf seiner Jacke: Das hält Oliver Ribarich gar nicht aus. Er sei ein "Monk", sagt er in Anspielung auf die Fernsehserie über einen neurotischen Detektiv. Abgesehen davon ist Ribarich, als ihn DER STANDARD und der Spiegel treffen, entspannt – obwohl ihm bis zu drei Jahre Haft drohen. Aber Ribarich findet Trost in einem Gedanken: "Wenn ich verurteilt werde, dann wird es der Strache erst recht. Dann geht er auch in den Häf’n, und das trage ich wie einen Orden." Der Strache. Das war über ein Jahrzehnt lang der Arbeitgeber von Ribarich. Schon 2006 kam er ins Team des damaligen FPÖ-Chefs, wo er bis zum Erscheinen des Ibiza-Videos blieb. Als es danach zu Telefonüberwachungen im Umfeld des FPÖ-Chefs kam, platzte die nächste Bombe: der gigantische Spesenskandal. Jahrelang soll Strache viel Geld für private Ausgaben falsch abgerechnet und sich von der Partei haben erstatten lassen. Sicherheitsleute und Sekretärinnen sollen für Strache, der nie Geld mitgehabt haben soll, oft ihr privates Geld ausgelegt und es sich dann über falsche Spesenabrechnungen wieder zurückgeholt haben – etwa über Restaurantrechnungen von fremden Personen, die sie von befreundeten Wirten erhalten haben.

All das vermuten die Ermittler der Staatsanwaltschaft Wien, die seit Sommer 2019 ein Verfahren dazu führt. Die falschen Abrechnungen füllten ganze Zimmer, hieß es schon 2020 im Protokoll einer Dienstbesprechung zwischen Polizei und Justiz. Um gerichtsfeste Beweise zu haben, muss nachgewiesen werden, dass die eingereichten Rechnungen nichts mit Strache oder der FPÖ zu tun haben. Ein gewaltiger Aufwand.

Angestoßen hat all das Oliver Ribarich. Ein Mann, der 13 Jahre lang sehr viel Zeit mit Strache verbracht hat. Tagtäglich. Als sein Bodyguard und sein Chauffeur.

Jetzt anhören: In dieser Podcast-Serie erzählen wir anhand von Interviews mit Oliver Ribarich, brisanten Chats und Ermittlungsakten, wie Ribarich zum Bodyguard von Strache wurde, dessen mutmaßliches Spesenunwesen dokumentierte und den Untergang des Ex-FPÖ-Chefs miterlebte.

Von der Polizei ins Team Strache

Wer ist der Mann, der Strache heute so schwer belastet? Oliver Ribarich wird 1970 geboren und wächst bei seiner Mutter in Wien auf. Der Vater sei früh "abgetaucht". Ribarich besucht gutbürgerliche Schulen, seine Mutter arbeitet beim Kurier und wünscht sich, dass ihr Bub auch einmal bei einer Zeitung arbeitet. Doch der 15-Jährige ist beeindruckt vom Opa und dessen "Werdegang bei Militär und Polizei". Politisch sei der Großvater eigentlich nicht gewesen, meint der Enkel. Der wird auch Polizist, seine Mutter habe deshalb geweint. Rund 40 Jahre später versteht der Polizist das: "Eine Karriere bei der Zeitung wäre auf alle Fälle produktiver gewesen."

Der STANDARD wird die kommenden Wochen anlässlich vier Jahre Ibiza über die Causa Strache berichten
Grafik: Fatih Aydogdu

Kennengelernt habe Ribarich, den der Onkel einer Freundin zur FPÖ bringt, Strache eher zufällig. Über die freiheitliche Polizeigewerkschaft habe er 2006 Straches Sekretärin getroffen. Als Drohungen gegen den Politiker eingehen und Personal fehlt, fragt sie Ribarich, ob er einspringen würde.

Ribarich lässt sich karenzieren und wechselt zu Strache, wird selbst Bezirksrat. Doch "HC" habe sich über die Jahre stark verändert, erzählt er heute. Das Familiäre und Bodenständige habe immer weiter abgenommen und sei von sogenannten dienstlichen Terminen verdrängt worden – damit unter anderem gemeint: Besuche in der Disco. Strache erklärte dazu einst, man müsse als Politiker dorthin gehen, wo die Menschen seien. Der langjährige FPÖ-Chef sei nach Wahlerfolgen zusehends abgehobener geworden, habe sich selbst als Popstar gefühlt und die Partei als seine Firma, sein Eigentum, behauptet Ribarich. Er selbst und andere hätten das befeuert, "weil ihm ja im Endeffekt alle hinten hineingekrochen sind".

Alpenfestung und Schrotflinten

Ribarichs Aufgaben hätten bald immer weniger mit Sicherheit zu tun gehabt, mehr mit Babysitten und Einkaufen. Anfangs sei es noch um Joghurt, Schokolade und Bier gegangen, später um "vier Flaschen Champagner" und einen "tollen Damenduft". Doch es gibt auch noch ganz andere Wünsche. Neben einem versperrbaren Waffenschrank ordert Strache etwa: "1) Zweiläufige Schrotflinte mit Hahn und Sicherung, 2) Pinelli (Schrot, Halbautomat, 10 Schuss, 3) Steyr Sturmgewehr mit Zielfernrohr....Laserpointer für meine Babyglock... ... Ausreichend Munition."

Als der Euro 2015 einbricht, erhält Ribarich die Nachricht: "Morgen bitte Gold kaufen!" Ein andermal werden eine "Ölnotlampe" und "zwei Notkocher mit Zubehör" benötigt. In Osttirol wird eine Pension, die von einem parteinahen Verein errichtet wurde, als Rückzugsort für die Parteispitze verwendet – dort wird später von der Justiz nach Gold gesucht werden. Strache soll dort für Ribarich einen Platz reserviert haben. Der erzählt später, die Vorstellung, mit Strache und anderen in diesem Bunker zu sitzen, habe ihm Unbehagen bereitet.

Strache weist die Vorwürfe von sich und spricht von einem Komplott
Foto: APA/Manhart

Skeptisch machen ihn auch Bündel an Bargeld, die plötzlich auftauchen. "Ums fremde Geld ist uns nichts zu teuer", habe man im Büro gescherzt. Als Prüfer der Partei monieren, dass Strache und sein Team so viel Geld brauchten, fürchtet der karenzierte Polizist, selbst eines schleißigen Umgangs mit Finanzen verdächtigt zu werden. Er fängt an, all das zu dokumentieren – aus Sorge, irgendwann selbst strafrechtlich belangt zu werden, behauptet Ribarich. Sein Anwalt habe ihm damals geraten: "Geh zur Polizei und mach eine Anzeige." Doch Ribarich entscheidet sich fürs Sammeln, denn aufgrund der Verbindungen der FPÖ zur Wiener Polizei "wäre das abgetötet worden in fünf Sekunden", sagt er. Die merkwürdigen Vorgänge, die er seinem Anwalt R. M. erzählt, trägt dieser wiederum an einen seiner Bekannten weiter: Julian Hessenthaler. So inspirieren Ribarichs Erzählungen das Ibiza-Video, ohne dass er selbst davon gewusst haben will. Wesentliche Punkte von Ribarichs Aussagen wurden von S., einer langjährigen Vertrauten Straches, bestätigt.

"Von Feinden eingeschleust"

In einer Beschuldigteneinvernahme, die dem STANDARD vorliegt, belastet sie auch Philippa Strache. So habe die Gattin des damaligen Vizekanzlers sie in der Vorweihnachtszeit 2018 losgeschickt, um ein Armband für eine Familienangehörige zu kaufen. "Verrechne das über die Partei", habe Philippa Strache zu der Mitarbeiterin ihres Mannes gesagt. Zur Motivation des Leibwächters, Abrechnungen zu sammeln, erklärte S.: "Ribarich hat mir gesagt, dass er sich alles aufhebt, damit ihm niemand vorhält, dass er sich bereichern würde." Die Bereitschaft von S., mit den Behörden zu kooperieren, dauerte nicht lange: Inzwischen schweigt S.

Das Narrativ, dass der Bodyguard sauer auf Strache gewesen sei, weil der Chef ihn fallengelassen habe, als er schwer krank gewesen sei, weist Ribarich zurück. 2019 warnt er Strache sogar vor der Existenz des Ibiza-Videos, von der er vorab erfahren hat. Heute vermutet Strache, sein einstiger Sicherheitsmann sei von Feinden bei ihm eingeschleust worden – wohlgemerkt schon im Jahr 2006. Strache sieht sich selbst als Opfer, das von seinem Umfeld betrogen worden ist, und betont, private Ausgaben letztlich stets selbst bezahlt zu haben.

Das System Strache

Ribarichs gesammelte Dokumente beenden Straches Karriere endgültig. Denn trotz des Ibiza-Videos kämpft Strache im Sommer 2019 weiter, flirtet etwa mit der Annahme eines Mandats im EU-Parlament, das ihn nach einer Vorzugsstimmenkampagne der rechtsextremen Identitären Bewegung zugestanden wäre. Erst Berichte über Straches Luxusleben auf Steuerkosten sorgen dafür, dass er den Rückhalt bei fast allen Unterstützern verliert.

Die Folgen der Enthüllungen: Ribarich selbst wird zeitweise festgenommen – für eine Kronzeugenregelung ist es zu spät. Gegen viele Freiheitliche wie Ex-Generalsekretär Harald Vilimsky, FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp und Nationalbanker Eduard Schock wird ermittelt, ebenso gegen Philippa Strache. Auch in anderen Bundesländern poppen blaue Finanzskandale auf, etwa in der Steiermark, wo unter anderem Landeschef Mario Kunasek und der frühere Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio Beschuldigte sind. Letzterer war jahrelang einer der Finanzprüfer der Bundes-FPÖ – mittendrin im System Strache also. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Sie bestreiten die Vorwürfe.

Darüber hat Ribarich noch viel zu erzählen – das wird er im STANDARD tun. Seine Analyse nach 13 Jahren im Dienste Straches: "Österreich ist so ein erbärmliches Land. Von der Qualität der Politiker her, aber parteiübergreifend. Bei den Blauen ist es natürlich extrem." Sein Fazit: "Da kannst du nur auswandern." (Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, Oliver Das Gupta, 13.5.2023)