Muss die Polizei ausrücken, um Klimakleber von der Straße zu lösen, bleibt oft eine Verwaltungsstrafe picken.

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Die dritte Aktionswelle der Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation geht in die dritte Woche. Auch in den kommenden Tagen ist im Morgenverkehr in Wien wieder mit Verzögerungen wegen Klebeaktionen auf Straßen zu rechnen. Die Behauptung, Proteste hätten einen Rettungseinsatz verzögert, sorgte zuletzt für heftig Diskussionen. Hier ein Überblick über bisherige Anzeigen gegen Protestierende und gegen ungeduldige Autolenker sowie über die rechtlichen Voraussetzungen für Versammlungen.

  • Anmeldung: Aktivistinnen und Aktivisten sollten öffentliche Versammlungen spätestens 48 Stunden vor der Abhaltung anmelden. Für gewisse Versammlungen (wenn etwa Vertreterinnen und Vertretern ausländischer Staaten teilnehmen) beträgt die Frist eine Woche. Veranstalter sind verpflichtet, Zeit, Ort und Zweck bekanntzugeben. Die Polizei prüft, ob wichtige Gründe vorliegen, die Demo zu untersagen. Die zuständigen Stellen sind die Bezirkshauptmannschaften bzw. in Wien die Landespolizeidirektion. Wenn eine Versammlung nicht angemeldet wird, darf sie aber nicht automatisch aufgelöst werden. Auch bei spontanen Kundgebungen müssen die Behörden vor Ort genau prüfen, ob eine Auflösung notwendig ist.

  • Anzeigen: Gegen Klimaaktivistinnen hagelt es bei Straßenblockaden Anzeigen am laufenden Band. Mitunter gibt es aber auch Anzeigen gegen Autofahrer, weil sie Aktivisten selbst wegzerren oder bedrohen. Laut Wiener Polizei kam es heuer im Zuge der Aktionen von Klimaklebern zu mehr als 600 Verwaltungsanzeigen und rund zehn strafrechtlichen Anzeigen. Bis 5. Mai seien heuer 231 Protestierende festgenommen worden – wobei es sich aber meist um den gleichen harten Kern von rund 20 bis 30 Personen gehandelt habe.

  • Auflösung: Die Polizei darf Demos nur dann auflösen, wenn wichtige Gründe dafür vorliegen. Sie muss prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Auflösung schwerer wiegt als das Versammlungsrecht. Im Fall von Klimablockaden wird das von der Polizei bejaht: Sie setzt den Aktivisten meist eine Frist von wenigen Minuten, um freiwillig zu gehen. Passiert das nicht, wird die Auflösung zwangsweise durchgeführt. Die Polizei muss dabei so schonend wie möglich vorgehen.

  • Blockaden: Strafrechtlich verboten sind reine Straßenblockaden in Österreich nicht, weil die Aktivisten im Gegensatz zu deutschem Recht keine Nötigung begehen, erklärt Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer. Reine Sitzblockaden gelten laut der österreichischen Rechtsprechung nicht als Gewalt. Das gerichtliche Strafrecht kann allerdings dann relevant werden, wenn unmittelbar hinter der Blockade Einsatzkräfte im Stau stehen und Menschen nicht versorgt werden können.

  • Kosten: Die Kosten hängen von der Zahl der eingesetzten Polizisten und der Dauer ab. Die diversen Klimaprotestaktionen haben bei der Wiener Polizei heuer für bisher zwei Millionen Euro an Mehrkosten gesorgt, 550.000 Euro davon seien alleine durch die Letzte Generation verursacht worden, gab der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl am 5. Mai bei einem Hintergrundgespräch bekannt. Die Kostenberechnen für Corona-Demos beliefen sich im Jahr 2021 auf 7.163.437 Euro und im Jahr 2022 auf 2.348.981 Euro. Die Demo gegen den Akademikerball 2019 kostete 715.000 Euro, im Jahr 2020 belief sie sich auf 528.700 Euro.

  • Notwehr: Ein privates Vorgehen von genervten Autofahrern gegen Klimakleber würde laut Strafrechtler Schwaighofer voraussetzen, dass die Aktivisten ein notwehrfähiges Rechtsgut angreifen. Das ist aber meist nicht der Fall: Die Freiheit von Autofahrern ist nicht eingeschränkt, weil sie zu Fuß weitergehen könnten. Notwehr wäre erlaubt, wenn eine Person dringend ins Spital muss. Laut Polizei wurden heuer bisher fünf Lenker nach Attacken auf Demonstrierenden wegen versuchter Körperverletzung belangt. Eine anonyme Anzeige betrifft einen Unbekannten, der in der Vorwoche Demonstrierende mit einem Messer bedroht haben soll.

  • Ordner: Demoveranstalter müssen selbst einen Ordnerdienst einsetzen, der für einen reibungslosen Verlauf sorgen soll. Die Ordner müssen als solche gekennzeichnet sein. Die Polizei empfiehlt ein Teilnehmer-Ordner-Verhältnis von 10:1. Was bei Großdemos praktisch nicht erfüllt werden kann.

  • Pressefreiheit: Die Pressefreiheit hat in Demokratien gerade bei Demos eine wichtige Kontrollfunktion. Immer wieder kommt es aber zu Störaktionen von Teilnehmenden. Obwohl die Polizei verpflichtet ist, Medienleute zu schützen, schreitet sie nicht immer ein, wenn es Provokationen bzw. Attacken auf Journalistinnen, Reporter, Kameramänner und Fotografinnen gibt.

  • Schadenersatz: Der "Korruptionsfreie Gemeinderatsklub" in Graz will von Klimaklebern Ersatz verlangen – für Spritkosten, höhere Taxigebühren oder Verdienstentgang. Das kommt laut Martin Spitzer, Professor für Zivilrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, in solchen Fällen aber eher nicht infrage. Es handle sich um indirekte, "bloße Vermögensschäden", die nicht ersatzfähig sind. Anders könnten Fälle beurteilt werden, in denen etwa Flughäfen gezielt lahmgelegt werden.

  • Strafen: Zwar drohen etwa bei Blockaden meist keine gerichtlichen Strafen, wohl aber solche nach dem Verwaltungsstrafrecht. Wer nicht den Anordnungen der Polizei folgt, dem drohen Geldbußen in der Höhe von bis zu 720 Euro. Auch kurze Freiheitsstrafen sind möglich.

  • Vermummungsverbot: Grundsätzlich gilt bei Versammlungen, dass niemand "Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen darf, um Wiedererkennung zu verhindern". Schon das Mitführen von Verhüllungsmaterial ist verboten. Es liegt aber im Ermessen der Polizei, dieses Verbot durchzusetzen. Mund-Nasen-Schutz und FFP2-Masken fallen nicht unter das Vermummungsverbot, meint Rechtsanwalt Clemens Lahner. Diese Masken werden ja getragen, "um sich in einer Menschenmasse vor einer Ansteckung zu schützen". Auch über den Mund gezogene Schals als Kälteschutz sind bei entsprechenden Temperaturen zulässig.

  • Waffenverbot: Bei Versammlungen gilt für Teilnehmende grundsätzlich ein Waffenverbot. Auch das Mitführen von Taschenmessern sowie von Gegenständen, die als Waffe benützt werden könnten, ist nicht erlaubt. Transparente mit Stöcken sind zugelassen, ein Stock allein aber nicht. Demnach müssten auch spitze Regenschirme, die vor allem bei rechten Kundgebungen benutzt werden, um Medienvertreter abzudrängen, verboten sein. Die Polizei ließ das aber bisher zu.

  • Zonen: Wirtschaftskammer, bürgerliche Politiker und einzelne Polizeichefs fordern Demozonen, um den Betrieb in Touristen- und Einkaufsstraßen nicht zu stören. Als geeignete Zone wurde etwa die Wiener Donauinsel vorgeschlagen. Derartige Vorschläge kollidieren aber mit der Versammlungsfreiheit. Hochzeitszüge, Prozessionen, Wallfahrten und Begräbnisse sind keine Versammlungen und fallen ins Veranstaltungsgesetz. (Jakob Pflügl, Colette M. Schmidt, Michael Simoner, 15.5.2023)