Katharina Müller und Martin Melzer, beide Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, erklären die Position eines Ehegatten im Erbrecht.

Dem Ehegatten kommt in verschiedenen Bereichen des Erbrechts eine Sonderstellung zu. So wird etwa die im gesetzlichen Erbrecht geltende Verwandtenerbfolge nach dem Parentelensystem bei Vorhandensein eines Ehegatten abgeändert. Daneben gibt es zahlreiche Sondervorschriften, die im Folgenden überblicksartig dargestellt werden. Eingetragene Partner werden im Erbrecht stets wie Ehegatten behandelt.

Der Ehegatte als gesetzlicher Erbe

Das gesetzliche Erbrecht kommt immer dann zur Anwendung, wenn der Verstorbene keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Auch der Ehegatte des Verstorbenen hat ein gesetzliches Erbrecht. Die Höhe hängt davon ab, mit welcher Parentel der Ehegatte konkurriert. Neben der ersten Parentel, das sind die Nachkommen des Verstorbenen (Kinder, Enkel, Urenkel und so weiter), erbt der Ehegatte ein Drittel der Verlassenschaft. Neben den Eltern des Verstorbenen erbt der Ehegatte zwei Drittel der Verlassenschaft. Das Gesetz zieht bei den Eltern des Verstorbenen die Grenze. Das heißt, wenn weder Verwandte der ersten Parentel noch die Eltern des Verstorbenen hinterblieben sind, erbt der Ehegatte zur Gänze. Die Nachkommen der Eltern werden daher vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen.

Stirbt ein Ehegatte, wird dessen Vermögen aufgeteilt. Der lebende Ehegatte nimmt dabei eine gesetzliche Sonderstellung ein.
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Besonderheiten gelten für das Erbrecht des Ehegatten, wenn er mit den Eltern des Verstorbenen konkurriert. Wie bereits erwähnt, erbt der Ehegatte zwei Drittel. Ein Drittel kommt den Eltern des Verstorbenen zu; Mutter und Vater erhalten somit jeweils ein Sechstel der Verlassenschaft. Sollte ein Elternteil bereits vorverstorben sein, würde ohne Vorhandensein eines Ehegatten der Grundsatz der Repräsentation und der Anwachsung gelten.

Repräsentation bedeutet, dass die Nachkommen der vorverstorbenen Person an deren Stelle treten und den jeweiligen Anteil erben. Bei Vorversterben der Mutter des Verstorbenen würden beispielsweise die Geschwister des Verstorbenen die Mutter repräsentieren und den Erbteil der Mutter erben. Ist eine Repräsentation nicht möglich, weil der Verstorbene etwa ein Einzelkind war und es deshalb keine weiteren Personen in derselben Parentel gibt, kommt es zur Anwachsung des Erbteils der Mutter an den Vater.

Diese Repräsentation und Anwachsung verhindert der Ehegatte. Ist also ein Elternteil vorverstorben, erhält der Ehegatte des Verstorbenen auch seinen Anteil. Er erhält dann schlussendlich fünf Sechstel der Verlassenschaft.

Eine weitere Besonderheit gilt für das Schenkungsanrechnungsrecht hinsichtlich des gesetzlichen Erbteils (nicht aber hinsichtlich des Pflichtteils): Wenn der Verstorbene die Anrechnung einer Schenkung an den Ehegatten nicht letztwillig angeordnet oder mit dem Ehegatten schriftlich vereinbart hat, muss sich dieser nur das auf seinen gesetzlichen Erbteil anrechnen lassen, was er aus einem Ehe- beziehungsweise Partnerschaftspakt oder Erbvertrag erhalten hat.

Der Ehegatte als Pflichtteilsberechtigter

Der Verstorbene kann zwar grundsätzlich frei darüber entscheiden, wer welchen Teil seines Vermögens im Todesfall erhalten soll. Allerdings wird er hierbei durch das Pflichtteilsrecht eingeschränkt. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen des Verstorbenen und der Ehegatte. Die Höhe des Pflichtteils beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts.

Konkret hängt die Höhe des Pflichtteils des Ehegatten somit wiederum von der Frage ab, mit welcher Parentel der Ehegatte konkurrieren würde, wenn es zur gesetzlichen Erbfolge käme. Konkurriert er mit der ersten Parentel, beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten ein Drittel, der Pflichtteil somit ein Sechstel. Konkurriert er mit den Eltern des Verstorbenen, beträgt der gesetzliche Erbteil zwei Drittel, der Pflichtteil folglich ein Drittel. Dass die Eltern nicht pflichtteilsberechtigt sind, wirkt sich nicht auf den Pflichtteil des Ehegatten aus. Konkurriert er mit der dritten oder vierten Parentel, würde der Ehegatte nach dem Gesetz alles erhalten, weshalb der Pflichtteil nun die Hälfte der Verlassenschaft ausmacht.

Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten

Unabhängig davon, ob der Ehegatte etwas erbt oder nicht, hat er Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis. Das Vorausvermächtnis umfasst einerseits das Recht, in der bisherigen Ehewohnung weiter zu wohnen. Andererseits hat der Ehegatte auch ein Recht, die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen (etwa Möbel, Fernseher, Haushaltsgeräte) weiter zu nutzen. Im Detail sind die Voraussetzungen und der Umfang des Vorausvermächtnisses durchaus umstritten.

Der Ehegatte und minderjährige Erben

Eine besondere Problematik liegt vor, wenn minderjährige Personen Erben sind. Diese benötigen im Verlassenschaftsverfahren zwingend einen Vertreter. Das würden grundsätzlich die gesetzlichen Vertreter, also zumeist die Eltern, sein. Allerdings haben die Eltern im Verlassenschaftsverfahren in dieser Funktion in der Regel eine Interessenkollision, da sie ebenfalls Partei des Verlassenschaftsverfahrens sind. In solchen Fällen wird für die minderjährigen Kinder gerichtlich ein Kollisionskurator bestellt.

Der Ehegatte nimmt eine Sonderstellung im österreichischen Erbrecht ein. Diese Sonderstellung manifestiert sich in den verschiedensten Bereichen: so zum Beispiel bei der gesetzlichen Erbfolge, dem Pflichtteilsrecht oder in dem ihm zustehenden gesetzlichen Vorausvermächtnis hinsichtlich der Ehewohnung. (Katharina Müller, Martin Melzer, 22.5.2023)