Dank höherer Einnahmen konnte die Stadt im Vorjahr auch Schulden zurückzahlen: Die Ertragsanteile durch den Bund fielen um 998 Millionen Euro höher aus als prognostiziert, bei der Kommunalsteuer waren es 93,8 Millionen Euro.

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Nach dem massiven Einbruch durch die Corona-Krise hat sich die Wirtschaft in Wien im Vorjahr stärker als erwartet erholt. Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzen der Stadt Wien: Statt des im Kostenvoranschlag noch prognostizierten Budgetdefizits für das Jahr 2022 in Höhe von 1,4 Milliarden Euro konnte die Stadt in der Endabrechnung mit 305 Millionen Euro positiv bilanzieren: Davon flossen 245 Millionen Euro in die Schuldentilgung, wie Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Freitag bekanntgab.

Für das positive städtische Ergebnis sorgten die signifikanten Mehreinnahmen: Die Ertragsanteile durch den Bund fielen um 998 Millionen Euro höher aus als prognostiziert, bei der Kommunalsteuer waren es 93,8 Millionen Euro. Das positive Ergebnis ist freilich durch eine konservative Planung inmitten der Corona-Pandemie beeinflusst: Das Doppelbudget der Stadt für die Jahre 2022 und 2023 wurde noch während des letzten Lockdowns im Jahr 2021 beschlossen.

Schuldenstand auf 8,8 Milliarden Euro verringert

Der Schuldenstand der Stadt verringerte sich angesichts der Mehreinnahmen auf 8,8 Milliarden Euro. Mit etwa 5.100 Euro Schulden pro Kopf befinde sich Wien laut Hanke genau im Mittelfeld der Bundesländer.

Die Rücklagen der Stadt betragen 1,9 Milliarden Euro, das Vermögen der Stadt erhöhte sich auf 35,7 Milliarden Euro. Die Wienerinnen und Wiener mussten aber im abgelaufenen Jahr durch die Inflation – im Jahresdurchschnitt betrug diese 8,6 Prozent – auch erhebliche Teuerungen hinnehmen. Leicht abgefedert wurden diese durch Energie- und Wohnpakete der Stadt im Gesamtvolumen von mehr als 500 Millionen Euro.

Hanke verwies darauf, dass der Kampf gegen die Inflation eine der größten Herausforderungen bleibe. Aktuell bastle die Wien Energie an einem Entlastungspaket in Höhe von 140 Millionen Euro: Davon sollen 80 Millionen Euro mit Rabatten und Freienergietagen an Strom- und Gaskunden zurückfließen, 50 Millionen Euro sind rückwirkend für Fernwärmekunden reserviert. Die Details sollen in den kommenden Wochen präsentiert werden.

Der Finanzstadtrat nahm aber vorrangig die Bundesregierung in die Pflicht, die nun im Lebensmittel-, Wohn- und Energiebereich mit Teuerungsmaßnahmen gegensteuern müsse. Hanke führte auch Forderungen nach einem bundesweiten Mietendeckel oder eine Gaspreisbremse ins Treffen.

2,9 Milliarden Euro Ausgaben für Gesundheit

Die Ausgaben der Stadt beliefen sich im Vorjahr auf eine Rekordsumme von 19,9 Milliarden Euro. 8,5 Milliarden Euro, das sind 42 Prozent der Gesamtausgaben, wurden für folgende vier Bereiche ausgegeben:

  • 2,9 Milliarden Euro für Gesundheit
  • 2,6 Milliarden Euro für Soziales
  • 2 Milliarden Euro für Bildung und
  • 972 Millionen Euro für Kinderbetreuung.

Zum Vergleich: Im Jahr 2021 wurden inmitten der Corona-Pandemie – und bei deutlich geringeren Einnahmen – 2,83 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben. Für Soziales waren es 2,33 Milliarden Euro.

Die Investitionen der Stadt bewegten sich im Vorjahr mit 2,8 Milliarden Euro auf einem Rekordstand. "Hier werden wir auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen", sagte Hanke, der etwa auf große Investitionen in die Modernisierung der Wiener Spitäler verwies. Bis 2030 sind dafür mehr als drei Milliarden Euro eingeplant, bis 2040 sind hier Investitionen bis zu acht Milliarden Euro vorgesehen.

Großer Fachkräftemangel

Vor Herausforderungen steht die Stadt aber auch wegen des enormen Fachkräftemangels im Gesundheits- und Sozialbereich. Die Situation wird sich eher zuspitzen: Laut Hanke werde der Fachkräftemangel in diesen Bereichen "massiv auf uns zukommen". Bis 2030 rechnet Wien im ambulanten Bereich mit 9.000 zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Stadt versucht unter anderem mit einem Ausbau von Ausbildungsplätzen gegenzusteuern. Für den Fonds Soziales Wien wurde ein Rekordbudget in Höhe von fast 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt.

Im Bereich Bildung sollen, wie bereits vor einem Jahr angekündigt, bis Ende 2023 insgesamt mehr als 400 neue Lehrkräfte sowie 200 Elementarpädagoginnen eingestellt werden. Dazu kommen 40 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Große Investitionen sind weiterhin für den Ausbau des Öffi-Verkehrs vorgesehen, unter anderem mit dem U2/U5-Linienkreuz: Im Vorjahr floss insgesamt eine Milliarde Euro in die Wiener Linien.

Neuer Verteilungsschlüssel bei Finanzausgleich gefordert

Zuletzt wurde auch ein Höchststand an Beschäftigten in Wien verzeichnet: Im November 2022 waren es 913.000 Personen. Hanke rechnet aber für heuer mit einer deutlichen Eintrübung der Konjunktur. So sei für dieses Jahr nicht davon auszugehen, "dass die Inflationsrate so stark sinkt, wie wir uns das wünschen würden". Erst im Jahr 2025 sei wieder ein Zielwert zwischen zwei und drei Prozent erreichbar.

Um die Finanzierung sicherzustellen, brauche es im Zuge der aktuell laufenden Finanzausgleichsverhandlungen einen neuen Verteilungsschlüssel: Künftig soll der Bund nur noch 60 (statt derzeit 68 Prozent) erhalten, die Länder 25 Prozent und die Gemeinden 15 Prozent.

FPÖ kritisiert Wiens Gebührenerhöhungen

Laut Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig zeige der Rechnungsabschluss 2022, "dass wir gekonnt Krisen managen und Zukunft gestalten". Kritisch reagierte hingegen die FPÖ und verwies darauf, dass die Stadt "in Zeiten höchster Inflation noch kräftig an der Gebührenschraube" gedreht und "sich so unverschämt am Geld der Wiener bedient" habe. Die Freiheitlichen forderten die sofortige Rücknahme der Gebührenanhebungen. Für die Wiener ÖVP habe der "Geldregen des Bundes" die Wiener Finanzen gerettet. (David Krutzler, 16.5.2023)