Sabine Beinschab sagte vor Gericht aus.

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Nervosität war Sabine Beinschab nicht anzumerken, als sie am Dienstag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts aussagte. Ruhig, gelassen und sachlich erzählte sie Richter Patrick Aulebauer, wie sich die Beziehung zu ihrer prominenten Ex-Chefin und späteren Geschäftspartnerin gestaltet hatte: zur angeklagten Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP).

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Für diese war es wohl kein guter Prozesstag. Beinschab ist die Hauptbelastungszeugin gegen Karmasin. Schon im Ermittlungsverfahren hatte die Demoskopin eigene Fehler eingeräumt, ihre frühere Vorgesetzte massiv belastet und deshalb den Status als Kronzeugin zugesprochen bekommen.

"Ich war ein Trottel"

Getan hat Beinschab das bislang allerdings nur im nichtöffentlichen Ermittlungsverfahren, also vor den Oberstaatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die große Frage, auch mit Blick auf andere Verfahren, in die Beinschab involviert ist, war, wie glaubwürdig die Meinungsforscherin vor Gericht erscheinen würde.

Die Antwort auf diese Frage hätte es eigentlich bereits Ende April geben sollen – doch Beinschabs Befragung ging sich damals zeitlich nicht mehr aus. Am Dienstag nahm sie dann knapp nach elf Uhr Vormittag vor Gericht Platz – und stand nicht an, eigene Fehler einzuräumen. Sie sei "ein Trottel" gewesen, Karmasin ihr Vorbild, für das sie "alles gemacht" hätte – und wahrscheinlich habe Karmasin umgekehrt gedacht, mit ihr alles machen zu können, rechnete Beinschab vor Gericht mit ihrer einstigen Chefin ab.

In beiden Anklagepunkten belastete Beinschab Karmasin erneut. Erstens wirft die WKStA der früheren Familienministerin vor, nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung Ende 2017 unrechtmäßig eine Gehaltsfortzahlung erhalten zu haben. Darauf habe sie eigentlich keinen Anspruch gehabt, weil sie schon wieder beruflich tätig gewesen sei. "Karmasin hat gewusst, dass das nicht geht", sagte Beinschab dazu.

Zweitens wird Karmasin vorgehalten, Beinschab und eine andere Meinungsforscherin um das Legen von Scheinangeboten an das Sportministerium gebeten zu haben, um als Bestbieterin hervorzugehen. "Das hätte man nicht machen sollen", räumte Beinschab ein, es sei "ein Gefallen" für Karmasin gewesen, rückblickend aber "ein Schmarrn, ein echter Fehler, ein Blödsinn". Dafür sei Beinschab vor zwei Wochen auch von der Bundeswettbewerbsbehörde kartellrechtlich zu einer Bußgeldzahlung verurteilt worden.

Ausführlich äußerte sich Beinschab auch über andere Aspekte ihrer Beziehung zu Karmasin. Die hatte noch als Ministerin Beinschab an den Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid vermittelt. Für das Finanzressort führte Beinschab fortan Studien durch, die laut ihrem Geständnis parteipolitisch der ÖVP nutzten und mit Scheinrechnungen bezahlt wurden.

Von diesen Aufträgen habe Karmasin 20 Prozent Provision verlangt, sagte Beinschab; das zeigten etwa E-Mails der Ex-Politikerin, in denen sie bei einem Preisvorschlag antwortete: "Me included, right?" In mehreren Punkten widersprach Beinschab somit der Ex-Ministerin.

Kontaktpflege

Diese hatte zuvor ausgesagt, dass sich ihre berufliche Situation nach dem Ende ihrer Ministerinnentätigkeit schwierig gestaltet habe. Es habe Gespräche mit einem Schweizer Unternehmen gegeben, daraus sei jedoch nichts geworden. Die Vorträge, die sie während der Zeit der Gehaltsfortzahlung gehalten habe, hätten eher der beruflichen Kontaktpflege als dem Geldverdienen gedient, so Karmasin.

Sie verwies darauf, dass sie beschlossen habe, den Betrag zurückzuerstatten, als ihr rechtliche Unsicherheiten bewusst geworden seien – just an diesem Tag sei sie aber festgenommen worden. Deshalb argumentierte ihr Anwalt Norbert Wess, die Ex-Ministerin habe "tätige Reue" gezeigt und sei nicht zu belangen. Aus Sicht der WKStA sei die Rückzahlung allerdings viel zu spät erfolgt.

Über all das entscheiden wird Richter Aulebauer vermutlich kommenden Dienstag, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird. Für diesen Tag ist ein Urteil zu erwarten. Von einer Berufung durch WKStA oder die Angeklagten ist aber so oder so auszugehen.

Bereits vor zwei Wochen hätte Beinschab aussagen sollen, das ging sich aus Zeitmangel nicht aus. Am Dienstag packte sie dann gegen ihre Ex-Chefin aus, die gewusst habe, "dass das nicht geht". (Fabian Schmid, Renate Graber, Sandra Schieder, 16.5.2023)