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Erstaunlich, wie der beste Salat unserer Breitengrade durch eine fälschliche Bezeichnung bleibend verunglimpft wird, – und wie man minderwertigen immer noch schätzt

Ab und zu ist es Zeit für ein Bekenntnis. Jetzt, zum Beispiel, wo mich das Gefühl beschleicht, dass es ganz dringend notwendig sei, endlich einmal eine Lanze für einen wirklich hervorragenden Salat zu brechen. Den (nur) bei uns so genannten „Kochsalat“ nämlich.

Man tut dem Kochsalat unrecht, wenn man ihn Kochsalat nennt. Weil mit dieser Bezeichnung schlittert er automatisch in die Assoziationskette mit Einbrenn und Erbsen, und auch, wenn der tiefgekühlte Kochsalat mit Erbsen (vor allem in Zusammenhang mit einer darin mitgewärmten Augsburger) einer der wenigen Rechtfertigungen heimischer Tiefkühlgemüse-Industrie ist (wir hatten das Thema schon), so ist damit die wahre Größe des „Kochsalates“ noch lange nicht dokumentiert: Denn nicht nur, dass es diesen schönen Salat fast immer gibt und er in der Verarbeitung vergleichsweise unkompliziert ist, er genießt in der Welt da draußen als „Romano“ und damit wesentlichen Bestandteil des Ceasar Salad (unter Umständen als größte Hervorbringung amerikanischer Kulinarik zu bezeichnen) auch großen Ruhm.

Romano in ein Sandwich geschnitten, gibt dem gefüllten Brot erst diesen besonderen und notwendigen Biss, Romano mit vielen anderen grünen Blättchen in den frühlingshaften Salat gemengt, verleiht der blättrigen Speise das notwendige Rückgrat, eine subtile Bitterkeit und auch hier den erfreulichen Biss. Romano fein nudelig geschnitten, macht vor allem in Contemporär-Fastfood wie den so genannten „Wraps“ ordentlich was her, sogar durch den Wok kann man ihn jagen und überhaupt verdient es dieser von mir hoch geschätzte Salat also nicht, immer nur als „Kochsalat“ bezeichnet und auch als solcher angedacht zu werden.

Wieder einmal eine österreichische Ausnahme stellt in dieser Hinsicht übrigens die Steiermark da, wo eine Unterart des Romano, der bräunlich-rötlich gefleckte Grazer Forellenschluss (wie Graz überhaupt die Bezeichnung als Salat-Metropole des Landes verdient) hoch verehrt und in steirischen Gärten hingebungsvoll gezüchtet wird (die Arche Noah hat Samen dafür ...), mit dem Effekt, dass in der Steiermark Salate einfach besser und befriedigender schmecken als im übrigen Österreich.

Und nach diesem Liebesbekenntnis nun mein salatiges Hass-Bekenntnis: Der Eisbergsalat! Und das liegt jetzt nicht daran, dass der Eisbergsalat aus Amerika stammt (der Name rührt daher, dass man ihn eisgekühlt transportierte), weil das wäre gerade beim Salat ein äußerst unpassender Euro-Chauvinismus (siehe oben). Aber er schmeckt einfach nach gar nichts. Da ist außer Wasser und Zellulose ja nichts drin, drängt sich zumindest die Vermutung auf, kein Chlorophyll, keine aromatischen Öle oder Enzyme, gar nichts, nur ein knackiges Papiertaschentuch sozusagen. Sinn macht der Eisbergsalat dann, wenn man nicht hören will, was in der Umgebung gesprochen wird, denn einen ordentlichen Wirbel kann er in frischem Zustand schon machen, das war’s dann aber auch schon. Dennoch erfreut sich der Eisbergsalat enormer Beliebtheit, vor allem dort, wo Salat grundsätzlich zu Konfetti verschnipselt, aus farblichen Gründen mit rundköpfigem Radicchio vermischt und mit Fertig-Marinaden in kleinen Plastikbeuteln mariniert wird. Eh schon wissen.

Ich bin jedenfalls dafür, dass Menschen mit Ansprüchen an ihr Essen zukünftig den Romano in ihr Herz schließen und den Eisbergsalat dafür von dort verbannen. Und wenn nicht, geht deswegen die Welt auch nicht unter – vielleicht entdeckt ja sogar noch wer eine sinnvolle Nutzung des geschmacklosen Krach-Salates.