Indien, sagt Gerald Oppenauer, ist natürlich mehr als das, was man zu Hause im Wohnzimmer bei Universum-Dokumentationen mitbekommt. Indien ist auch mehr als Mutter Teresa, Massen in den Städten und bedächtig durch die Straßen wackelnde Büffel oder Kühe. Indien, so der Student des FH-Studienganges "Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung" an der Fachhochschule des bfi Wien, bedeutet auch: "professioneller Arbeitsstil" und eine Arbeitsmoral, die weit höher ist als in hiesigen Breiten. Überzeugen konnte er sich davon bei seinem Berufspraktikum in Neu-Delhi und Mumbai (früher Bombay), dass er zwischen September 2004 und Jänner 2005 absolvierte.

Arbeitgeber war ICRA (Indian Credit Rating Agency). Oppenauer arbeitete zum Teil an eigenen Projekten, zum Teil in einer Projektgruppe - im Bereich Unternehmensberatung. "Wir waren mit Machbarkeitsstudien und Umstrukturierungen beschäftigt, mit der Suche und Auswahl von Joint-Venture-Partnern und Projekte zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit für Organisationen des Tourismussektors, der Automobilindustrie, der Nahrungsmittelindustrie und Verwaltungseinrichtungen Indiens oder einzelner Bundesstaaten."

Nebenbei recherchiert

Nebenbei recherchierte er für seine Diplomarbeit über Business Process Outsourcing in das Ausland. Offshoring, wie diese Auslagerung neudeutsch heißt, wird ja besonders in Richtung Indien groß geschrieben. Das asiatische Land hat 70 Prozent Marktanteil, meint Oppenauer. Logisch: Billige Arbeitskräfte, die auch noch besonders talentiert sind, zum Beispiel im Umgang mit Informationstechnologie, sind für amerikanische oder europäische Konzerne ein Lockmittel.

Wie Oppenauer verbinden auch andere Fachhochschulstudenten immer häufiger das Pflicht-Berufspraxissemester mit der Kür eines Auslandsaufenthalts. "Man muss offen sein, neugierig, einen hohen Grad an Kulturverständnis haben", sagt zum Beispiel Sandra Miksche, die auch an der Fachhochschule des bfi Wien studiert - und meint damit wohl nicht nur die Einstellung zum Auslandsaufenthalt, sondern zum gesamten Berufsleben insgesamt. Im Studiengang "Logistik und Transportmanagement" befindet sie sich derzeit im sechsten Semester. Demnächst absolviert sie ihr Berufspraktikum in China in der Hafenstadt Shenzhen. Sorgen, dass irgendetwas nicht klappen könnte, macht sie sich nicht. Sie ist vor allem neugierig auf Land und Leute, derzeit lernt sie mit Unterstützung der FH Mandarin. Eine faszinierende Sprache, sagt sie. Alleine die Schriftzeichen und ihre Bedeutung begeistern sie.

Schon seit Beginn des Studiums arbeitet sie bei der Reedereiagentur Meridian GmbH. Berufliche Erfahrungen sammelte sie in den Import- und Export-Abteilungen. Dann kam eine Weihnachtsfeier von Meridian, wo auch Kunden der durch das Unternehmen vertretenen Reedereien (z. B. China Shipping Container Lines) geladen waren. Zum Beispiel Jonathan Wang, Geschäftsführer der Überseespedition Contrans Cargo (Hauptsitz in Shenzhen, China). So nahm die Geschichte ihren Lauf.

Hat sie nicht doch ein mulmiges Gefühl, so weit weg von zu Hause zu sein und für so lange Zeit? Nachdenklich stimmt sie höchstens die sprachliche Barriere, die sie sicher nicht so schnell zur Gänze überbrücken wird. Irgendwo in einem Lokal sitzen und nicht genau wissen, was die Einheimischen da reden - eigenartige Vorstellung. Beruflich wird sie natürlich voll in Contrans Cargo eingebunden sein, das Leben abseits davon wird spannend, sagt sie. (Peter Illetschko/DER STANDARD-Printausgabe, 7.5.2005)