Wien - Seit 1962 war sie fixer Bestandteil des Schulsystems, spätestens seit Veröffentlichung der Pisa-Studie im vergangenen Herbst ist sie neuerlich ins Gerede gekommen, am Donnerstag wurde sie mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und der Mehrheit des Freiheitlichen Klubs abgeschafft - um zugleich in wesentlichen Teilen wieder eingeführt zu werden: das Zwei-Drittel-Erfordernis für Schulgesetze.

Schulreformen können damit künftig einfachgesetzlich umgesetzt werden - mit folgenden Ausnahmen: Neben der Schulpflicht werden die Öffentlichkeit des Schulsystems, die Möglichkeit von Privatschulen und der Religionsunterricht weiterhin mit Verfassungsmehrheit zu beschließen sein. Ebenfalls im Verfassungsrang und damit strittigster Part in der politischen Debatte ist die "angemessene Differenzierung" des Schulsystems in der Oberstufe.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) interpretiert die gewählte Formulierung als Absage an die Gesamtschule. SP-Chef Alfred Gusenbauer zieht den umgekehrten Schluss. Und der orange-blaue Klubchef Herbert Scheibner will eine gemeinsame Schule der Sechs-bis Fünfzehnjährigen zumindest nicht ausschließen.

Verfassungsrechtler hatten bereits bei Beschlussfassung der neuen Zweidrittelhürde für Schulgesetze vor der unpräzisen Formulierung der "angemessenen Differenzierung" gewarnt. Auch die Kritik der Grünen geht in diese Richtung. Vizechefin Eva Glawischnig ortet einen "Rückfall in alte Zeiten", ihre Fraktion hat dem Gesetz daher nicht zugestimmt. Auch FP-Mitglied Barbara Rosenkranz stimmte dagegen. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2005)