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Nadia Krasteva als "Carmen" bei den Opernfestspielen St. Margarethen

Foto: APA/ FRANZ BALDAUF
St. Margarethen – Grillen zirpen, Fledermäuse durchzischen den abenddämmrigen Himmel, nassgraue Wolkenformationen drohen aus Nordost. Mit schwarzem Plastik verhüllte Plastiken künden vom stummen Schrei bildhauerischen Protestes gegen die Ausbreitungen der Opernfestspiele. Gerda Rogers blickt, als stünden ihre Sterne im Moment nur wenig günstig, Markus Rogan gibt seelenfröhlich Interviews, Graf Mensdorff-Pouilly kommt zu spät.

Wie immer in St. Margarethen ist die 7000 Quadratmeter große Naturbühne des Römersteinbruchs auch bei "Carmen" komplett voll gekrempelt: Eigenwillig proportionierte Häuschen, Türmchen, Kapellchen von Manfred Waba mühen sich, eine spanische Szenerie vorzugaukeln, die disneyhaft zu nennen wohl eine Rufschädigungsklage des Entertainmentkonzerns nach sich ziehen würde.

Massen an pittoresk gekleideter Choristenschaft und Statisterie beschlendern die ausladenden Naturtheaterlandschaften. Frauen fächeln mit Fächern und stemmen Hände in aufreizend ausgestellte Hüftpartien, Männer stolzieren nebenher. Es gibt Feuerspeier und Akrobaten (Akt 4), Männer, die sich über Felswände abseilen (Akt 3), Männer, die Toreroumhänge schwenken (Akt 2 und 4), und reichlich rassiges Reitgetier (Regie: Gianfranco de Bosio; Pferde: Esterházy Husaren). Und natürlich gibt es auch Musik. Am rechten Bühnenrand werkt in einem villenartig verkleideten Kabäuschen Prof. Ernst Märzendorfer: Mit ruckartigen Bewegungen (à la Joe Cocker) treibt der lebens- und kunsterfahrene Opernmann das kontrolliert musizierende Orchester des Nationaltheaters Brünn an.

Das solistische Vierergespann agiert bei der Premiere solide: Asa Elmgren ist ein Bild von einer Micaëla – blond und unschuldig und stimmlich helle –, Sebastian Holecek müht sich tapfer, ein tapferer Escamillo zu sein, Aleksandrs Antonenko ist ein kämpferischer, intensiver Don José und Nadja Krasteva eine vokal eindrucksvolle Carmen. 4689 Premierengäste applaudieren begeistert; 182.871 Bizet-Begeisterte sollen es ihnen nach Wunsch und Vorstellung des Intendanten in den folgenden 39 "Carmen"-Vorstellungen gleichtun. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.7.2005)