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Lambert Hamel und Sunnyi Melles in 'Geschichten aus dem Wienerwald' von Oedoen von Horvath

Foto: AP /Kerstin Joensson
...Das zeitigt durchaus heitere Begleiterscheinungen.


Zunächst die heißeste aller Salzburger Neuigkeiten: 37 Grad im Schatten. Auf die Sonne ist eben Verlass. Und weil auf Salzburgs hippe Gastronomie ebenfalls Verlass ist, hält sie nun für alle, die bei solcher Hitze wenig Geld, aber großen Durst haben, mildtätig kühlende Labung bereit: Im Traditionscafé Bazar kann man sich für 30 Cent einen Viertelliter Leitungswasser bestellen.

Eine soziale Errungenschaft, die man nicht gering schätzen sollte. Immerhin wurde man in Zeiten, in denen Leitungswasser noch gratis serviert wurde, im Fall, dass man nichts anderes als dieses orderte, freundlich aber bestimmt hinausgewiesen.

Gewiss eine Nebensächlichkeit, dieser neue Wasserausschank. Doch schon Adalbert Stifter wusste, dass zunächst belanglos scheinende Details oft Hinweise zu großen Veränderungen liefern. Auch wenn die Veränderungen, die sich an den Salzburger Festspielen konstatieren lassen, nicht eben umwälzend sind.

Außerdem kommt es in diesem Zusammenhang sehr darauf an, welchen Vergleichs-zeitraum man wählt. Man muss ja nicht gleich bei Adam und Eva anfangen, die im Salzburger Festspiel-Idiom Strauss und Hofmannsthal heißen. Schon die Ära Karajan zum Beispiel bietet einen brauchbaren Anhaltspunkt.

Damals brauchte man nach dem Maestro nicht lange Ausschau zu halten und auf Zeitungsberichte zu warten, denen zufolge er, weil mit dem Porsche wieder einmal zu schnell nach Anif unterwegs, in irgendeinem Rübenacker bruchlandete. Der tyrannische Pultmagier war ohnedies omnipräsent. Man sah ihn und viele andere aus der von ihm erwählten Künstlerschar beinah in jedem Schaufenster der Salzburger Innenstadt.

Ob Fleischhauer oder Juwelier, ob Couturier oder Konditor, ein jeder wollte damals sein Etablissement zumindest mit einem dieser fotografischen Paramente der großen Salzburger Festspielliturgie geadelt sehen und damit gleichzeitig dem unumschränkten Kunstregenten seine Gefolgschaft bezeugen.

Wenn von Karajans möglichen Mäzenen die Rede war, erging man sich hinter vorgehaltener Hand eher in Vermutungen. Außerdem hätten es sich die Mächtigen der damals noch florierenden deutschen Wirtschaft verbeten, als Big Spender in den Medien zu figurieren. Trotzdem musste sich Karajan immer wieder als Luxusentertainer seiner heimlichen Geldgeber publizistisch prügeln lassen.

Omnipräsente Logos

Heute ist gerade des Gegenteil der Fall: Es gibt keinen Programmzettel, keine Ein-trittskarte, auf denen nicht die Firmenlogos jener vier Unternehmen sichtbar sind, die gegenwärtig als Hauptsponsoren der Salzburger Festspiele fungieren. Will heißen, hat sich die Wirtschaft früher geehrt gefühlt, wenn sie der Kunst - anonym - etwas spenden durfte, so scharwenzelt heute die Kunst um die Wirtschaft und macht sich bereitwillig zum Vehikel einer mit strategischem Kalkül betriebenen Firmenwerbung.

Ja mehr noch, das Engagement eines Kulturmanagers hängt in manchen Fällen schon weniger von seiner fachlichen Qualifikation ab als von seiner Fähigkeit, private Geldquellen zu erschließen. Von Salzburgs Festspielpräsidentin kann man lernen, wie diskret und elegant sich die Cashcows und Geldesel der Weltwirtschaft melken bzw. zum Strecken bringen lassen.

Einen aus heutiger Sicht beinah tragisch burlesken Höhepunkt der Unterwürfigkeit gegenüber einem Sponsor markierte in der Ära Mortier eine in allen Pausenräumen der Festspielhäuser affichierte und in alle Programmbroschüren abgedruckte geradezu kriecherisch formulierte Dankadresse an den mittlerweile wegen schwerer Malversationen gerichtlich verfolgten US-Mäzen Alberto Vilar.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sei jedoch festgehalten, dass es nach Karajans Tod schon dessen getreuer Statthalter Albert Moser war, der sich in aller Öffentlichkeit zur lukrativen Liaison mit Hauptsponsoren bekannte.

Auf der anderen Seite ist der volksbildnerische Effekt, den derlei ökonomische Intimitäten mit sich bringen, nicht zu unterschätzen. Sie sichern den Sponsoren nämlich Kon-tingente an Eintrittskarten, mit denen diese ihnen wichtige Geschäftspartner beglücken. Ob Letztere das dann auch tatsächlich als Glück empfinden? Zahlreichen Seufzern, die auf solche Weise Zwangsbeglückte in den Pausen zur meist geheuchelten Entrüstung ihrer reich dekorierten Gemahlinnen von sich geben, ist zu entnehmen, dass sie den Besuch einer Vorstellung nur als mühsame Vorleistung für die Teilnahme an den folgenden Partys verstehen.

Letztere sind neuerdings perfekt organisiert. Künstler dürfen und müssen antanzen. Ein Mitglied des Direktoriums muss sich auch sehen lassen. Mitunter gibt's ein Feuerwerk. Der heimliche Austausch über die im Verlauf der Aufführung durchlittene Ungemach mit einem Geschäftspartner schafft da mitunter das für einen weiteren Abschluss förderliche menschliche Vertrauen. So werden die Festspiele zum Schmieröl im Getriebe der Weltwirtschaft.

In diesem Zusammenhang ist es fast zynisch, an die 60er-und frühen 70er-Jahre zu erinnern, als Karl Böhm nach den legendären Premieren des Figaro oder der Ariadne mit einer handverlesenen Schar von Freunden am Stammtisch der Rosenvilla saß und grantig seinen Kamillentee trank.

Aber damals war das Wasser im Bazar auch noch gratis. (DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.07.2005)