Salzburg - Auch sie gibt es noch - die unaufgeregte Salzburger Festspielwelt. Keine Blitzlichter, keine Miniröcke und keine Kartensucher, die jeden Preis zahlen würden, da sie für Betuchtere herumstehen. Wenn auch noch die Rahmenbedingungen stimmen, wenn das düster-kühle Regenwetter Novemberstimmung über den Sommer legt, ja, dann hat man endgültig eine Gemütslage, in der sich eine kleine Post-Traviata-Melancholie mit dem Gefühl mischt, die Festspiele seien vorbei.

Sind sie nicht. Und besonders auch an ihren Konzerträndern haben sie Qualität zu halten, selbst dann noch, wenn Pläne sich ändern, wenn Pianist Konstantin Scherbakov für Markus Hinterhäuser einspringt, der als zukünftiger Konzertchef der Festspiele abgesagt hat, um den Kopf für Planungen frei zu bekommen.

Der in der Schweiz lebende und unterrichtende Russe passt auch gut als Antithese zur Show der letzten Tage. In sein Bühnenbenehmen legt er so viel Würde und Zurückhaltung, dass man seine Wirkung als ein bisschen starr bezeichnen könnte.

Und wenn sein Spiel auch gottlob frei davon ist, so vermittelt es einen Hang zur Selbstkontrolle, die offenbar werkdienlich im Sinne einer gleichsam "objektiven" Darstellung der Musikvorgänge in Dmitri Schostakowitschs Präludien und Fugen zum Einsatz gebracht werden soll. Tatsächlich ist sein Spiel von großer Klarheit, wirkt wie das erste Gläschen Wasser nach einem Rausch. C-Dur-Fuge, e-Moll-Fuge - das ist transparente, lichtdurchflutete und dialogisierende Tonmaterie, die ebenmäßig fließt.

Andererseits: Die modale Folkloristik, die sich in diesem Kosmos der äußerlich barocken Form auch grotesk, grell und bisweilen gruselig grinsend präsentiert, würde es vertragen, nicht nur mit dynamischen, vielmehr auch mit klanglichen Mitteln erweckt zu werden. Nun, der Rundgang durch den Quintenzirkel ist noch nicht vollendet - er geht heute (um 19.30 Uhr im Mozarteum) weiter. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 8. 2005)