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Foto: REUTERS/Enrique Marcarian
Mitunter scheint es, als gäbe es ihn mehrfach. Als Pianist bereist Daniel Barenboim den Globus und vermittelt gerne ganze Werkzyklen (zuletzt alle Klaviersonaten von Beethoven), damit er den "direkten Kontakt zum Klang nicht verliert". Er ist dirigierender Chef des Chicago Symphony Orchestra, und in Berlin verbringt er viel Zeit als administrativ durchaus belasteter Opernleiter, der sich mit der Kulturpolitik anlegt, um die Staatsoper Unter den Linden vor Subventionskürzungen zu bewahren.

Zwischendurch schaut der Vater zweier Söhne auch in Bayreuth vorbei, ist Mentor von Pianist Lang Lang; und er wird auch in Zukunft neben seinen fixen Verpflichtungen viel gastieren - in der nahenden Salzburger Ära von Jürgen Flimm etwa soll der israelisch-argentinische Weltbürger eine wichtige Rolle spielen.

Als einer der wenigen Musiker von Weltrang setzt er allerdings auch auf die versöhnende Aura der Musik und ist unbeirrt und unermüdlich unterwegs, im Nahostkonflikt friedenstiftend einzugreifen. In Ramallah hat er sich für die Gründung eines lokalen Orchesters sowie eines Musikkindergartens eingesetzt, auch hat er dort Konzerte gegeben. Jenes Projekt, mit dem er nun in Ramallah gastierte, das Orchester West Eastern Divan, das arabische und jüdische Musiker vereint, betrachtet er allerdings als das wichtigste seines Lebens.

Zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen palästinensischen Intellektuellen Edward Said rief er 1999 das Projekt ins Leben, von dem er zwar nicht glaubt, es würde das Problem der Gewalt lösen. "Aber es wird die Lebensweise der Jungen verändern, weil sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben darum bemühen, gemeinsam etwas zu machen."

Nach zwei Jahren in Weimar und nach einem Treffen in Chicago probte man nun 25 Kilometer westlich von Sevilla. Es gab Spannungen, das Orchester spiegle nun einmal die Gesellschaft, so Barenboim. Zum Konzert kam es dennoch, und für den 1942 in Buenos Aires geborenen Sohn russisch-jüdischer Emigranten war es auch ein Akt der Solidarität - nach dem Motto "Freiheit für Palästina".

Am Ziel wähnt sich das Exklavierwunderkind allerdings noch lange nicht. Das Projekt wird für ihn, den Garanten für hohe Musikqualität, erst dann "vollendet" sein, wenn das Orchester auch in Syrien, Jordanien, dem Libanon und in Ägypten gastieren kann. Energie ist bei Daniel Barenboim wohl noch ausreichend vorhanden.

Sie wird gespeist aus dem Bedürfnis, "meine Hand auszustrecken und zu sagen: Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt. Wir müssen nicht drauf warten, bis die Politiker einen Weg finden. Lasst uns die Verbindung, die wir haben, schon jetzt durch die Musik üben." Möge die Übung weiterhin gelingen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.08.2005)