Im Kampf ums Recht kann solide Körperbeherrschung nicht schaden: Margot Binder als Medea (re.).

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Grillparzers Medea, der dritte Teil des "Goldenen Vlies", ist nicht gerade ein trashiges, locker-flockiges, sprachlich auf der Zunge zergehendes Jugendstück. Wenngleich der archaische Stoff, aus dem es gestrickt ist, auch heute noch mit substanzieller Wucht in verödete Gefühlslücken zu dringen vermag. Wie, das ist derzeit am Linzer Phönixtheater in einer modernen, gekürzten und entschlackten Version zu erleben, welche die Hand an den Puls aktueller Zeitprobleme legt. Regisseurin Eva Hosemann, Intendantin der Stuttgarter Rampe, lässt Jason und Medea aus einem uralten VW-Bus klettern, der ihnen als Campingunterkunft am Strand dient (Bühne: Stephan Bruckmeier). Mit stilisierten Turnübungen bereiten sich die beiden auf den Gang zu König Kreon (Matthias Hack) vor, um nach dem Verrat an Medeas Vater und Bruder für ihr schutzloses Leben Asylrecht einzufordern. Sie (Margot Binder) eine selbstbewusste, im Sinne der verlogenen Gesellschaftsregeln ungeschliffene Fitnessqueen, er (Eckart Schönbeck) ein opportunistischer eitler Schnösel, der nur im Männerbund Stärke zeigen kann. Kein Palast, sondern eine Kleinbürgerwohnung umhaust den machtbewussten Hofstaat. Egoismus, Fremdenfeindlichkeit und Beziehungsarmut sind die elementaren Merkmale, die von Hosemann grell ins Rampenlicht geholt werden. Fabelhaft gelingt Ingrid Höller eine klarsichtige Gora. (kann/DER STANDARD, Printausgabe, 13.09.2005)