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Das Verhältnis zwischen Bildungsministerin Gehrer und dem österreichischen PISA-Koordinator war schon mal besser.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER
Wien - Das ist die Geschichte einer Entfremdung vor größtmöglichem Publikum, inszeniert als Eskalationsnummer. Für die besondere Schärfe sorgt die Mischung aus Politik und Wissenschaft: Elisabeth Gehrer, Bildungsministerin und im früheren Zivilberuf Volksschullehrerin, und Günter Haider, Erziehungswissenschafter an der Uni Salzburg, Leiter des Pisa-Zentrums Österreich und in einem früheren Leben auch einmal Volksschullehrer. Beide, Gehrer und Haider, lieben diesen Beruf. Beide verteidigen Lehrer-Sein als zentrale Profession von höchstem gesellschaftspolitischen Wert. Und doch sind sie an dem Punkt, wo nichts mehr geht.

Der Titel für das eben aufgeführte Stück könnte sein: Wie aus Elisabeth Gehrers Experten für die Schule ein Ex wurde oder wie Günter Haider vom VIP zum VDP wurde. Ein VIP, eine "very important person" der Bildungspolitik, ist der gebürtige Oberösterreicher Haider schon seit geraumer Zeit. Spätestens seit Freitag aber ist er durch die ÖVP zum VDP, zur "very dangerous person", geadelt worden.

Vor ÖVP-Tür verbannt

Der seit Tagen einem Sturmfeuer aus der Volkspartei und dem Bildungsministerium ausgesetzte Wissenschafter wollte sich mit einem der Hauptangreifer, VP-Bildungssprecher Werner Amon, persönlich unterhalten und zu diesem Behufe einer Pressekonferenz in der ÖVP-Zentrale in der Wiener Lichtenfelsstraße beiwohnen. Ins Haus kam er noch hinein. Vermutlich wurde er in der Portiersloge nicht erkannt. Aber drin sprach sich schnell durch, wer sich da neben drei Medienvertretern, die Amons neueste "Österreich ist viel besser als Pisa behauptet"-Beweise zu hören bekommen wollten, noch befand. Amon wollte "Assistenzprofessor Haider", wie die ÖVP den Doppel-Doktor neuerdings zu nennen beliebt, partout nicht begegnen. Und so verlegte man die Pressekonferenz kurzerhand in ein Obergeschoß der VP-Zentrale. Die Sicherheitskontrolle auf dem Weg dorthin passierte Haider nicht: Sie nicht, hieß es. Er wurde vor die Tür geleitet.

Auslöser für die ganze Chose war ein Interview von Haider in der Furche, in dem er unter anderem mehr Tempo für die Schulreform urgierte und meinte: "Es geht einfach nichts weiter. Die Frau Ministerin macht einfach nicht mehr den Eindruck, als könnte sie die Motivation aufbringen, um diese große Aufgabe zu bewältigen."

Prompt zogen zwei VP-Mannen aus, um die im fernen China weilende Parteifreundin Gehrer zu verteidigen. Nicht zimperlich in der Wortwahl. Wie man in Wien sagt, flogen die Hackln ziemlich tief. Werner Amon schoss quasi aus der Hüfte sofort zurück und deutete etwas von Honoraren für das Pisa-Buch an. Haider wies die Unterstellungen zurück. Amon setzte nach, Haider hielt Rechnungsbelege und Verlagsdokumente dagegen.

Die zweite Intervention donnerte aus dem Bildungsministerium. Wenn Generalsekretär Hermann Helm in einer Aussendung den doppelt promovierten Assistenzprofessor an der Uni Salzburg süffisant "Assistent" nennt, klingt das ungefähr so, als würde Günter Haider dem "Sekretär" Helm antworten.

Nähe und Ferne

Dieser Geschichte einer Degradierung eines Experten zum Ex-Experten wohnt eine besondere Ironie inne. Gehrer selbst hat Haider, der kommenden Mittwoch 53 Jahre alt wird, zu ihrem Schulexperten Nummer eins gemacht, als sie ihn nach dem Pisa-Debakel 2003 zum Vorsitzenden der Zukunftskommission berief. Dabei dürfte sie sehr genau gewusst haben, aus welcher Ecke Haider ursprünglich kommt. "Eine VP-Ferne war es sicher nicht", gibt Haider freimütig zu. Er war lange Zeit Mitglied des VP-nahen Christlichen Lehrervereins. In den 70er-Jahren, als dort tabulos Sympathie für die Gesamtschule gezeigt wurde, die Gehrer mit Inbrunst hasst; als Haider mit Buseks "bunten Vögeln" in Wien mitflog - und dann, im Zuge der Waldheim'schen Präsidentschaftskandidatur nach "Verharmlosungen, Beschönigungen und antisemitischen Tönen" aus dem Lehrerverein, der christlich hieß, austrat und "seit 20 Jahren keiner politischen Gruppierung mehr angehört".

Das alles wusste Gehrer bestimmt, und holte sich den fachlich ausgewiesenen und international anerkannten Experten trotzdem an ihre Seite. Der aber blieb weiter seinem Ethos als Wissenschafter "und der Republik verpflichtet", sagt aber auch, dass Gehrer selbst von ihm nie parteipolitische Liebedienerei verlangt habe. Seine Erklärung für die "Ausraster" der schwarzen Mittelsmänner: "Wenn sich parteipolitische Kreise gestört fühlen, reagieren sie heftig." (DER STANDARD-Printausgabe, 1.10.2005)