Ein Wirtshaus von Rang ist das Schrot in Alkoven: Neben dem Gemeindeamt kann man hier auf ein schnelles Pils ...

Foto: Gerhard Wasserbauer

... oder Christian Göttfrieds allerbesten Zwiebelrostbraten vorbeischauen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein Stern (oder gleich mehrere) im traditionsreichen "Guide Rouge" von Michelin, das gilt auch unter Österreichs Köchen als prestigeträchtigste Auszeichnung im Dickicht der Wegweiser für auswärtige Esser. Als der rote Führer vor einem Jahr erstmals mit Österreich-Ausgabe herauskam, war der junge Steirer Christian Göttfried, damals noch Küchenchef in den durchlauchtigen Gemäuern von Schloss Grafenegg (Firma Mörwald), unter jenen wenigen, die für gut befunden wurden, den "Makrone" genannten Stern zu tragen.

Umso erstaunter war man, als Göttfried nur wenige Monate nach dem Ritterschlag den Hut draufhaute und Grafenegg mit unbekanntem Ziel verließ. Er selbst spricht heute von einer "notwendigen Neuorientierung". In den Kellergassen entlang des nahen Wagram freilich munkelt man, dass Göttfrieds einstiger Chef, Toni Mörwald, es gar nicht komisch fand, als in Grafenegg plötzlich ein Stern funkelte, während ihm selbst im (bloß drei Kilometer entfernten) Stammhaus in Feuersbrunn nur noch eine magere Gault-Millau-Haube blieb.

Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen, und Christian Göttfried hat mit seiner Frau Simone ein eigenes Wirtshaus aufgemacht - in Alkoven bei Linz, mitten im Eferdinger Becken, jenem mit fetter schwarzer Erde gesegneten Landstrich, wo wahrscheinlich das beste Gemüse des Landes gedeiht.

Der Gasthof Schrot ist ein schönes, altes ...

... behäbiges Wirtshaus mitten im Ort> mit prächtigem Schankraum und ein paar Extrastüberln. Hier kommt die Dorfjugend auf ein "Cappy gespritzt" oder ein paar Bier vorbei, hier begießen Jäger Pirsch und Hirsch, hier wird bei Taufe wie Tod gefeiert - weil's halt immer schon so war.

Einen hochdekorierten Spitzenkoch würde man da kaum vermuten, selbst wenn man schon in die Speisekarte geschaut hat: Bei den kleinen Speisen gibt es zwischen Backhendl- und Vogerlsalat mit Schaffrischkäse im Speckmantel auf den ersten Blick nichts rasend Spannendes, die Hauptspeisen bestreiten Tafelspitz, Zwiebelrostbraten, Rindsgulasch und ein bissl was Kurzgebratenes von Lamm und Rind. Keine Spur von Degustationsmenü, Gedeck und ähnlichem Gourmetschmonzes - im Gegenteil: Viel wirtshausmäßig klassischer kann man eine Karte kaum schreiben.

Zugegeben, irgendwo stehen auch Ochsenschwanzravioli mit Selleriepüree drauf, aus sehr gutem Pastateig, gefüllt mit kleinstgewürfeltem, puristisch gedünstetem Ochsenschwanz, serviert mit brauner Butter und herrlich dichtem Zellerpüree: perfekt. Gebackene Steinpilze, an und für sich ein Verbrechen am edlen Schwamm, kommen so butterschmalzig waldbodenduftig daher, dass die Argumente einfach nicht hochkommen, warum sie "nature" vielleicht noch ein wenig besser schmecken können würden.

Überhaupt, die Segnungen des Butterschmalzes: Hier wird ihnen noch ohne falsche Scham gehuldigt. So gerät auch der Zwiebelrostbraten, in toller Fleischqualität mit knapp reduziertem Saft, dank der im Schmalz gebackenen, buttersüßen Zwiebeln zur raren Delikatesse. Völlig unentschuldbar ist freilich das Fehlen des essenziellen süßsauren Gurkerls, das bei der klassischen Garnierung in Form eines Fächers geschnitten gehört.

Zur Eröffnung des Wirtshauses ...

... im Frühsommer war extra die Dorfkapelle aus Feuersbrunn angereist, ein Zeichen besonderer Freundschaft, das Familie Göttfried bis heute für das Gelingen des Projekts mitverantwortlich macht: "Es ist ja nicht leichter, in einem kleinen Ort ein Wirtshaus aufzumachen, als in der Stadt. Da kommen irgendwelche Zugereisten, noch dazu mit einem Michelin-Stern, und möbeln das Dorfgasthaus auf - klar, dass es da Misstrauen gibt im Ort", erzählt Göttfried, "aber wenn a Musi spielt und es Freibier gibt, dann sinkt die Hemmschwelle rasant." So dauerte es auch an jenem Sommertag nicht lange, bis ihrerseits die Alkovener Kapelle auftauchte, um dem neuen Wirtspaar ein Ständchen zu verehren - womit die Akzeptanz im Ort gesichert war.

Das Trumer Pils mag da kaum aufgehört haben zu fließen, bei normalem Geschäftsgang aber kann sich Simone Göttfried durchaus auch ihrer wahren Leidenschaft widmen - dem Wein. Der Schwerpunkt ihres Angebots liegt zwar auf österreichischen Weinen (wobei die einstige Nachbarschaft zum Wagram noch angenehm nachklingt), als gebürtige Bayerin will sie ihre Liebe zum deutschen Riesling aber nicht verhehlen - und die darf man hier zu Lande ohnehin viel zu selten kosten.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/21/10/2005)