"Bildung ist kein individuelles Problem, sondern gesellschaftliches Gut und Menschenrecht", stellte Johanna Ettl, die Leiterin des Bildungsbereichs in der Arbeiterkammer Wien, Montagabend beim Symposium "Life Long Learning" der Fakultät für Psychologie der Uni Wien klar.

Moderiert von Standard-Redakteurin Lisa Nimmervoll diskutierten Ettl, Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser, die Dekanin der psychologischen Fakultät, Christiane Spiel, und Gisela Hopfmüller-Hlavac, Leiterin der ORF-Hauptabteilung für Bildung, die Frage, ob lebenslanges Lernen "mehr als ein Schlagwort" ist.

Was die Finanzierung anlangt, noch nicht, war der einhellige Tenor auf dem Podium, das die mangelnde Finanzierung des "öffentlichen Auftrags Bildung" kritisierte. Gerade für die untere Einkommensschicht, die sich weitgehend mit den weniger Gebildeten decke, sei es schwierig, ihre Situation zu verbessern. Kritisiert wurde auch die synonyme Verwendung der Begriffe "lebenslanges Lernen" und "berufliche Weiterbildung". In Hinblick auf die triste Arbeitsmarktsituation müsse "Bildungsmotivation die persönliche Weiterbildung umfassen, die nicht unbedingt auf den Beruf abzielt", meinte Hopfmüller-Hlavac. Medien könnten Neugier schaffen, vor allem das Internet "gewinnt im Bildungsbereich gewaltig".

Auch die Durchführbarkeit sei zu beachten, betonte Psychologin Spiel. "Wir brauchen Lernen von der Wiege bis zur Bahre", sagte sie, überzeugt, dass die aufgehende Schere – "gut Gebildete nehmen Angebote wahr und lernen dazu, die schlecht Gebildeten nicht" – in keine rosige Zukunft führe. Um Letztere zu animieren schlägt Spiel vor, "ganz niedrigschwellige Angebote zu machen", um Frust zu vermeiden. Wer sich in der Schule schwer getan habe, bilde sich noch weniger gern weiter.

Ob es so leicht geht, stellte Wirtschaftsvertreterin Hochhauser in Frage, da sich 22 Prozent der Erwerbstätigen laut Umfragen "sicher nicht" weiterbilden würden, wenn sich die Chance böte. Hoffnung geben die elf Prozent "Eher nicht"-Antworten – immerhin kein absolutes Nein.

Die Politik ließ Hochhauser nicht aus der Verantwortung und plädierte für "ein Bildungskonto" mit staatlichen Prämien für jene, die sich individuell und beruflich weiterbilden. "Ein Bildungssparen, ähnlich dem Bausparen", meinte Hochhauser. Es gehe um die richtigen "Anreize" für kontinuierliches, lebenslanges Lernen, das immer mehr auch "standortpolitische Notwendigkeit" werde. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2005)