Wien - Nachdem sich am Dienstag in einem ungewöhnlichen Schulterschluss die Industriellenvereinigung und die Arbeiterkammer für eine Reform des Kindergeldes ausgesprochen haben, bricht auch in der ÖVP eine Diskussion über die Schwächen des schwarz-blau-orangen Meilensteins aus.

Von einer gemeinsamen Position ist man weit entfernt. Für ÖAAB-Frauenchefin Gertrude Brinek ist schon jetzt klar: "Die Mehrheit innerhalb der ÖVP ist der Meinung, dass wir das Kindergeld auf jeden Fall verbessern müssen." Ihrer Einschätzung nach wird diese Verbesserung "in Richtung der Aufhebung oder Teilaufhebung der Zuverdienstgrenze gehen".

Keine Debatte erwünscht

Brineks Parteifreundin, Frauenministerin Maria Rauch-Kallat, hat sich bisher immer gegen eine Aufhebung der Grenze ausgesprochen - im Einklang mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der generell keine Debatte über das Kindergeld wünscht. Sozialministerin Ursula Haubner hingegen ist dafür. Brinek ist in dieser Frage klar auf der Seite Haubners: "Die völlige Aufhebung der Zuverdienstgrenze ist die einfachste Lösung."

Laut Brinek würde die gänzliche Aufhebung 50 Millionen Euro kosten. Sie kalkuliert damit den Wegfall an Verwaltungsaufwand, mit dem derzeit die Grenze kalkuliert wird, genau so ein wie ein höheres Steueraufkommen, wenn mehr Eltern arbeiten.

Dass mit der Aufhebung Väter oder Mütter Vollzeit arbeiten und trotzdem Kindergeld kassieren, stört Brinek nicht: "Schon mit der Einführung des Kindergeldes haben wir den Systemwechsel von der Versicherungs- zur Familienleistung vollzogen. Die Aufhebung der Zuverdienstgrenze wäre nur der nächste Schritt, der wirklich Wahlfreiheit ermöglicht."

Alternativmodelle sinnvoll

"Summa summarum sind die Vorschläge von Industriellenvereinigung und Arbeiterkammer überlegenswert und diskutierbar", meint auch Wirtschaftsbundobmann Reinhold Mitterlehner. Mitterlehner wünscht sich mehr Anreize für Frauen, bereits nach einem Jahr in den Beruf zurückzukehren. "Vor allem bei qualifizierten Mitarbeitern ist das gut und wichtig." Alternativmodelle zum jetzigen Kindergeld zu entwickeln sei deshalb "eine sinnvolle Überlegung". (eli, tó/DER STANDARD, Printausgabe 10.11.2005)