Im Pontoni wird dem Beislpurismus gehuldigt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Meister: Tino Pontoni

Foto: Gerhard Wasserbauer
Auf Weingläser mit Stiel kann man bei Tino Pontoni lang warten: "Bei mir gibt's Schankwein aus'm Doppler, a Achtel kost' 1,20, dafür ist er gut", sagt der Mann, dessen Lächeln ebenso scheu ist, wie der Ausschnitt seines Hemdes tief. "An sauren Wein in große Glasl'n füllen und dann fünf Euro nehmen, des sollen's woanders machen."

Tino Pontoni macht das nicht. Den Mann treibt eine heilige Pflicht - das Wiener Beisl für die Nachwelt zu erhalten. So, wie er es liebt, mit jeder Faser seines hart geprüften Leibes; wie es früher war, als jeder das gleiche Achtel hingestellt bekam, "der Hackler und der Doktor ebenso".

Rot oder weiß, solange Pontoni sich erinnern kann, war das eine Auswahl, über die sich nie wer beschweren wollte. Dafür wurde er zur Legende, 1993, als er in der Burggasse das erste "Pontoni" aufsperrte: Ein alter Branntweiner mit originaler Holztäfelung, Brettschneider-Schank und sonstiger Möblage. Pontoni änderte gar nichts, ließ seine Mama den besten Schweinsbraten von überhaupt in die Röhre schieben und sorgte auch sonst dafür, dass alles schön puristisch blieb. Ganz Wien liebte den Mann mit dem italienischen Namen dafür, dass er es verstand, die Stadt mit jenem Flair zu verzaubern, das sie die längste Zeit loszuwerden versucht hatte.

Heute heißt das Lokal längst ganz anders, und Schuld daran hat nur Pontoni selbst: eine böse Geschichte, die er lieber nicht erzählt, schon gar nicht jetzt, wo es endlich losgeht mit dem neuen Lokal.

Und wie. Drei Jahre war Pontoni...

... auf der Suche nach einem Ort, wo Substanz, Preis, Lage stimmten. Mitten in Margareten wurde er fündig: Im Gasthaus "Zum weißen Rössl" waren der Terrazzoboden noch intakt, die Resopaltische in Grün und Rot kaum von Tschick-Glut angekohlt, die alten Heizkörper unter den Bänken montiert. Dazu eine Schank wie aus dem Museum, zwei Neon-Luster am Plafond und ein Schild, welches das Extrazimmer schamlos als "Speisesaal" ankündigt. Nostalgie pur, zum Weinen schön. Nur die Budl mit Vitrine war nicht mehr zu retten, statt dessen lehnt man nun an einem schlichten Ding aus Industriestahl.

Der Koch aus alten Zeiten ist auch wieder da - ein in Ehren ergrauter Bengale, dem die Wiener Küche in zeitloser Ehrlichkeit von der Hand geht. Das kleine Gulasch kann man sich kaum typischer wünschen, dass hie und da eine Aorta zwischen den Zähnen kruspelt, mag Spezialisten erfreuen - wer dergleichen fürchtet, wird ohnehin die Würstel mit Saft bestellen. Gnadenlos klassisch auch das Blunzengröstl mit ordentlich Speckgrammeln - der vom Chef fürsorglich anempfohlene Verdauungsschnaps erweist sich als notwendige Schluckhilfe. Ihr Fett haben auch die Schinkenfleckerl - durchaus lecker mit Majoran gewürzt - abbekommen, dafür ist das Kalbswiener mustergültig souffliert.

Original auch die Öffnungszeiten: Werktags von 8-24 Uhr. Sind damit Trankler ab der Früh willkommen? "Na, jeder ist willkommen", sagt Pontoni, "weil Tee, Kaffee, Kakao haben wir ja auch."
(Severin Corti/Der Standard/rondo/11/11/2005)