Foto: Schauspielhaus

Roman Paska

Foto: Schauspielhaus/Nick Mangafas
In Indonesien ist alles anders, aber hier fristet das Puppentheater ein Getto-Dasein. Der New Yorker Meister Roman Paska arbeitet dagegen an. Unter anderem mit "Dead Puppet Talk", ab Donnerstag, 17. 11., am Wiener Schauspielhaus.


Wien – Den radikalsten Ansatz vertrat sicher Edward Gordon Craig, als er anno 1908 in hitzköpfigen theaterreformatorischen Debatten gleich die Abschaffung des Schauspielers forderte. Menschen aus Fleisch und Blut seien untauglich für die Darstellung von Kunst. Den Part sollte fortan die so genannte "Übermarionette" übernehmen, "eingehüllt in eine Schönheit, die dem Tod ähnelt". Denn: Nur im (noch) Unbelebten liegt die Kraft zur Imagination.

Von solch extremen Manifesten hat sich das 20. Jahrhundert rasch verabschiedet, das Puppen- und Figurentheater führt immer noch – zumindest im Westen – ein Getto-Dasein, oftmals noch fälschlicherweise gleichgesetzt mit Kindertheater. Im Unterschied zu Indonesien, wo Puppentheater das primäre Theater darstellt und vom Schauspielertheater imitiert wird. Wenn ein indonesischer Puppenspieler stirbt, werden seine Puppen mit ihm verbrannt.

Von den Kategorisierungen hält der aus New York stammende (Puppen-)Theaterstar Roman Paska nichts: "Ich sehe mich in erster Linie als Theatermacher und erst dann als jemand, der dafür auch Puppen braucht." Und Paska will zur Wien-Premiere seines "Dead Puppet Talk", am Donnerstag Abend im Schauspielhaus, auch keinesfalls nur die Geppettos "aus den Wäldern locken".

In der vor einem Jahr an der New Yorker Experimentalbühne Kitchen uraufgeführten "Show" geht es um die Metaphorik der Puppe: "Mich interessiert die kontrollierte, manipulierte Figur, die Figur, die keine Wahl hat, deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist." In der Abu-Ghraib-Berichterstattung im Fernsehen fand Paska damals während der Vorbereitungsarbeit genau jene Bilder von Dehumanisierung, die er zu thematisieren beabsichtigte. Aber, so Paska: "Puppen bergen etwas, das noch viel größer ist als freier Wille."

Puppen sind "spooky"

Die Puppe vermag im leblosen Zustand auf gespenstische Weise Leben zu behaupten. Der Begriff von der "toten Puppe" ist hier also keine Tautologie. Puppen sind "spooky". Sie fordern von uns unsere ganze Vorstellungskraft. Das kann auch Angst machen, denn in Wahrheit macht die Puppe etwas mit dem Zuschauer.

Paska ist ein Global Player seines Fachs, dessen Weltreisen 1982 mit der später immer weiterentwickelten Serie "Theatre for the Birds" begannen. Dazu unterrichtet er an der Columbia University oder an der Central School of Speech and Drama in London. In seiner dreijährigen Tätigkeit als Leiter des renommierten Institut International de la Marionette in Charleville-Mézière, Frankreich, ist ihm die Neugierde auf Puppen und Figuren unter europäischen Intendanten aufgefallen: Das Figurentheater ist wieder modern geworden.

Wir sind im Begriff, uns generell wieder mehr einer "ancient culture" anzunähern. "Sogar das Marionettentheater", so Paska, das ich immer als frustrierend empfand, erlebt ein Revival." Dabei aber muss man wegkommen von der Vorstellung, Puppentheater sei das, wo Miniaturmenschen auf Fäden oder Stäben menschliche Charaktere widerspiegeln. Das ist eine über zwanzig Jahre zurückliegende, überalterte Anschauung. "Puppentheater ist alles, was einst auch auf der Dada-Bühne gemacht wurde. Die Puppe ist wie ein Maske, nur eben nicht vorm Gesicht, sondern an der Hand, sie ist der Meetingpoint zwischen Puppenspieler und Zuschauer."

Bereits Ende der 90er-Jahre gastierte der Puppenmeister beim Festival "Macht des Staunens" in Wien. Zum allerersten Mal war Paska aber als Student in Wien: Um? Um Richard Teschners Figuren zu sehen, die damals noch nicht im Museum zugänglich waren, sondern im Hinterzimmer der theaterwissenschaftlichen Bibliothek. "Teschner Puppen sind die allerschönsten, die jemals in Europa gemacht wurden!" Die nach javanischen Vorbildern gebauten Stabpuppen haben – neben chinesischen Handpuppen und japanischen Bunraku-Puppen – Paska am meisten inspiriert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.11.2005)