Wien - Viele der ärgerlichen Nebensächlichkeiten, die der in Geduld geübte Besucher in Kauf nimmt, waren wie weggeblasen: Riccardo Muti zeigte in seiner musikalischen Neueinstudierung von Le nozze di Figaro an der Staatsoper, dass der Chor etwa bei seinen Auf-und Abtritten keinesfalls klappern muss, dass die Rezitative, von Speranza Scappucci am Hammerklavier gestaltet, unglaublichen Witz versprühen.

Muti präsentierte einen rasanten und lebendigen Figaro mit einer guten bis sehr guten Sängerbesetzung. Er besitzt ein echtes Gespür für das Idiom Mozarts, für die Nuancen in der Agogik, für die subtile Klanglichkeit und die theatralischen Effekte, die er mit traumhafter Sicherheit zelebriert. Er stellt die Partitur regelrecht aus, als gelte es, wie mit einem Zeigestab auf jede einzelne Schönheit hinzuweisen. Die durch die Philharmoniker mühelos umgesetzten Tempi sind äußerst kontrastreich, meist jedoch eher rasch.

Da müssen gar keine großen besetzungstechnischen Novitäten her. Carlos Alvarez als Figaro elektrisiert durch sein unverwechselbares metallisches Timbre. Die Susanna an seiner Seite, Tatiana Lisnic, überzeugt stimmlich durch ein angenehmes Timbre und interpretatorisch. Dies gilt auch für Barbara Frittoli als Gräfin. Ludovic Tezier gestaltet den Grafen stimmlich differenziert im Ausdruck. Angelika Kirchschlager bewegt sich mit stürmischer, fast unruhiger Leidenschaft durch die Partie des Cherubino. Hervorragend agierten Michael Roider (Basilio) und Ain Anger (Bartolo). Die Wiederaufnahme der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle aus den 70er-Jahren ist zu begrüßen. (Beate Hennenberg/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 12. 2005)