Glanzvolle Bauten zeugen noch heute...

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...vom einstigen Reichtum der Bodegas

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Das 20. Jahrhundert begann wie das 19. geendet hatte: mit massiven Problemen.

Nachdem durch die Reblaus die Produktion bis zur Neupflanzung auf amerikanischen Unterlagsreben zum Erliegen kam und das dadurch entstandene Liefervakuum durch andere Länder aufgefüllt wurde, kamen die Produktion und der Export nur langsam wieder in Schwung.

1910 schlossen sich daher die führenden Häuser zur so genannten Sherry Shipper Association zusammen, um den Exporten wieder auf die Beine zu helfen. Sie finanzierten in den wichtigsten Absatzmärkten Werbekampagnen, in denen sie Sherry an sich und nicht einzelne Marken und Bodegas bewarben - wohl eine der ersten generischen Werbekampagnen. Der Erfolg gab ihnen Recht, begannen die Export daraufhin doch, wenn auch langsam, wieder zu steigen und erreichten bis zum Ende des I. Weltkrieges das alte Niveau des 19. Jahrhunderts.

Consejo Regulador

In dieser Konsolidierungsphase gründeten die Jerezanos 1933 den Consejo Regulador, der seit damals über den Anbau, die Produktion und den Vertrieb wacht und 1935 zur Gründung der DO führte.

Während der spanische Bürgerkrieg praktisch keine Auswirkungen hatte - verwendeten doch die Streitparteien die Erlöse aus dem Sherryhandel zur Finanzierung des Krieges - folgte mit dem II. Weltkrieg der nächste Rückschlag: der Export ging fast auf null zurück. Am meisten litten darunter die Almacenistas (wörtlich Lagerhalter), da die großen Sherryhäuser natürlich zuerst versuchten ihre eigene Produktion an den Mann zu bringen und wenig Lust verspürten den Almacenistas Wein abzunehmen.

Exportboom

Ab 1950 begann sich die Situation wieder zu normalisieren und in den nächsten Jahren setzte ein wahrer Exportboom ein. Ein paar Exportzahlen (gerundet) mögen als Beispiel dienen: 1950 180.000 hl, 1955 250.00 hl, 1960 330.000 hl, 1965 490.000 hl, 1970 720.000 hl, der absolute Höhepunkt wurde 1979 mit rund 1.500.000 hl erreicht, seitdem es stetig abwärts geht (im Vergleich 2004 490.000 hl!) und zur Zeit auch nicht wirklich ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen wäre.

Dies waren auch die goldenen Jahre für die unzähligen Almacenistas, hatten viele der Exportfirmen doch häufig nur eine geringe Produktion und deckten ihren jeweiligen Bedarf bei eben diesen.

Rumasa

Eine der Ursachen für den Zusammenbruch in den 80iger Jahren nahm allerdings bereits viel früher seinen Lauf: 1944 kaufte der Bürgermeister von Rota, Don Zoilo Ruiz-Mateos eine Bodega, die aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geraten war und begann zu expandieren. 1959 schloss sein Sohn mit Harveys einen 99 jährigen Liefervertrag für dessen gesamten Sherrybedarf. Um unter anderem diesen Liefervertrag erfüllen zu können kaufte er nach und nach immer weitere Bodegas und deren Soleras auf und kontrollierte dadurch innerhalb kürzester Zeit ein Drittel des Sherrymarktes. 1961 gründete die Familie schließlich die Rumasa Holding mit Sitz in Madrid, die auch Beteiligungen an Weinbaubetrieben außerhalb von Jerez erwarb (unter anderem in Rioja) und im Lauf der Zeit zu einem gigantischem Mischkonzern mit Banken, Baufirmen, Einzelhandelsfirmen, Tourismusbetrieben, Textil- und chemischer Industrie mutierte.

Während Rumasa einerseits viel für die Modernisierung der Sherryindustrie tat (die Holding investierte vor allem in neue, auf dem letzten Stand der Technik befindliche Produktionsanlagen), führte diese Konzentration leider auch zum unwiederbringlichen Verlust von Bodegas und deren zum Teil sehr hochwertigen Soleras, da diese mit anderen verschnitten wurden - wie zum Beispiel Rivero, Cuvillo ....

Andererseits wurden in den boomenden 70iger Jahren auch einige neue Bodegas wie Harveys und Croft gegründet, da diese die Zeichen erkannten und rechtzeitig in eigene Bodegas investierten (unter anderem um sich von der Abhängigkeit ihrer Lieferanten zu befreien).

Der Crash beginnt

1983 bekam die neue sozialistische Regierung allerdings kalte Füße (angeblich stand die Holding kurz vor dem Zusammenbruch - die genauen Hintergründe sind noch immer im Dunkeln) und verstaatlichte den Konzern um ihn kurz darauf zu zerschlagen und zu reprivatisieren.

Für finanzkräftige Investoren und Bodegas waren dadurch plötzlich wahre Schnäppchen zu haben, da die Regierung zeitlich wenig Spielraum für den Verkauf hatte und damals Bodegas weit unter ihrem wahren Wert zu haben waren.

Rückblickend scheinen aber die frühen 70iger der Wendepunkt für die Sherryindustrie gewesen zu sein: in Zeiten der schier ins Unermessliche steigenden Exporte und um den erwarteten Bedarf decken zu können investierten die Bodegas hemmungslos in neue Weingärten - allen voran Rumasa, aber auch die Konkurrenz, wie auch die Neugründungen zeigen - großteils mit geborgtem Geld. Als mit der Weltenergiekrise plötzlich der Export einbrach, führte das zu Panik und einem unglaublichen Preisverfall. Zwar gab es einen offiziellen Mindestpreis, der aber ganz einfach mittels Rabatten umgangen wurde, um die Unmengen von Wein nur irgendwie loszuwerden. Um bei den Preisen mitzukommen senkte man die Qualität, was das Vertrauen der verbliebenen Konsumenten auch nicht gerade stärkte (im Zuge der Zerschlagung von Rumasa stellte sich z. B. heraus, dass die Firma rund 1 Million Hektoliter unverkäuflichen Wein minderer Qualität in England auf Lager hatte - de facto Sondermüll).

4 Jahres-Plan

Nach dem Zusammenbruch von Rumasa rief der Consejo Regulador den so genannten „4 Jahres-Plan" mit folgenden Eckpunkten aus:
1. Destillierung von 31 Millionen Litern Überschusswein
2. Festlegung von Exportquoten für die einzelnen Häuser um Preiskämpfe zu unterbinden
3. keine Erlaubnis für Neuanlagen
4. Verringerung der bestehenden Flächen

Nicht genug der Unmach erhöhte sich durch den Beitritt zur EU 1986 im Zuge der Steuervereinheitlichung die Steuerbelastung für Sherry, was dem Absatz auch nicht unbedingt förderlich war und ist (in Österreich beträgt diese nach wie vor EUR 0,73 pro Liter - ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor im Billigsegment)

1989 wurde dann Price Waterhouse mit der Erstellung eines Sanierungskonzeptes beauftragt, das zu ähnlichen Ergebnissen wie der Consejo kam (Hauptpunkt: Anpassen der Produktion an den tatsächlichen Bedarf) und zu einer weiteren, radikalen Reduzierung der Rebfläche führte (die heutigen 10.370 ha entsprechen in etwa der Hälfte der damaligen Fläche!). Zur kurzfristigen Reduktion der Überschüsse wurden zusätzlich die Hektarhöchsterträge auf rund 56 hl beschränkt.

Boutique-Bodegas

Die Hauptleidtragenden waren auch hier die Almacenistas, da diese wieder einmal als erste auf ihren Weinen sitzen blieben. Um Druck von ihnen zu nehmen wurde schließlich die zur Erlangung der „Exportlizenz" notwendige Mindestbestandsmenge von 12.500 hl auf 500 hl gesenkt. Dies erklärt auch das Auftauchen der unzähligen Boutique-Bodegas - wie z. B. Pilar Aranda, Bodegas Tradicion, Rey Fernando de Castilla etc. - gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Wieweit sich diese auf dem hart umkämpften und rückläufigen Markt behaupten werden können, wird die Zukunft weisen, es wäre ihnen (und uns als Konsumenten) zu wünschen.

Parallel dazu waren die letzten Jahre andererseits geprägt durch Zusammenschlüsse der Großen - wie z. B. Gonzales Byass und Croft - ganz wie im Rest der Weinwelt.