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Die Vielfalt der in Australien produzierte Weine wird gerne unterschätzt. Was auch daran liegt, dass nur ein Bruchteil nach Europa vordringt. Zu Beginn, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde vor allem Portweinartiges hergestellt. Heute ist Australien Shiraz. Außer Chardonnay vielleicht wird keine andere Rebsorte so eng mit dem Land in Verbindung gebracht, und nur wenige andere bringen in dieser Ecke der Weinwelt flächendeckend derartig spannende, weil stilistisch höchst differenzierte Ergebnisse. Dazu kommen in der jüngeren Zeit interessante Versuche mit Pinot Noir oder italienischen Rebsorten wie Sangiovese.

Die Reblaus kam bis Victoria

Vor allem Shiraz aus dem Barossa Valley, das nordöstlich von Adelaide (Südaustralien) in Richtung Landesinnere verläuft, steht für jenen Wein-Stil, der Australien global bekannt gemacht hat: kräftige, runde und sehr dichte Weine mit konzentrierten dunkelbeerigen Fruchtaromen und fast schwarz-roter Farbe. Die Besten unter ihnen kommen in den meisten Fällen aus alten Weingärten, die vor mehreren Jahrzehnten wenn nicht vor einem Jahrhundert und mehr gepflanzt wurden und noch immer, natürlich mit Auffrischungen bei Stockausfälle, „in Betrieb“ sind. Im Barossa Valley, aber auch in Coonawarra, eine Region in Küstennähe an der Grenze zu Victoria gelegen, stehen heute noch wurzelechte Anlagen. Auf die Tatsache wird immer wieder hingewiesen, einige Weingärten dürfen sogar nur unter speziellen Vorsichtsmaßnahmen wie z.B. Desinfektion auf einer Art Seuchenteppich betreten werden, denn die Angst its groß vor dem Einschleppen des Schädlings, dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert so gut wie alle europäischen Rebflächen zum Opfer fielen.

Syrah, der in der Zwischenzeit auch in Österreich von einigen Winzern „probiert“ wird und bis vor wenigen Jahrzehnten seltenst aus seiner ursprünglichen Heimat, der nördlichen Rhône, herauskam, war eine der ersten Rebsorten, die nach Australien gebracht wurde und Fuß fassen konnte. Klone spielen heute bei allen Rebsorten eine wichtige Rolle: Wurde ein Rebstock als besonders „gut“ identifiziert, wurde er nach allen Regeln der Kunst vermehrt um dessen Eigenschaften zum Teil über Generationen weiterzugeben, wie David Jones erzählt. Er ist der Besitzer von Dalwhinnie in Moonambel (Weinbaugebiet Pyrenees in Victoria) und produziert u. a. drei verschiedene Shiraz, deren deutlich schmeckbare Unterschiede er auf Boden, Klone und auf unterschiedliche Maischebehandlung (kurz bei höheren Temperaturen versus längere Kaltmazeration) zurückführt.

Die Weincharakteristik ergibt sich bei Shiraz wie auch bei anderen Sorten aus den endlosen Kombinationsmöglichkeiten von Böden, Klonen und Meso- und Mikroklimaten. Je kühler die Region, desto mehr tendiert Shiraz zum pfeffrig-würzigen, „französischeren“ Stil, desto mehr wird Shiraz zum Syrah - und desto öfter wird er auch so bezeichnet. Was, so befürchtet man in einem Artikel in der Online-Ausgabe der Melbourner Tageszeitung „The Age“, sogar in einer „Identitätskrise“ enden könnte. Die Gefahr scheint allerdings nicht ganz so groß zu sein, angesichts des Selbstbewusstseins der australischen Weinbau-Community bezüglich ihrer Star-Rebsorte. Shiraz der neueren (oder vielleicht unbekannteren) Regionen fallen tendenziell nicht ganz so konzentriert und alkoholstark aus, sind aber in den guten bis besten Fällen eindeutig „australisch“: das Gefühl von „Wärme“ beim Verkosten, reife und vielschichtige Fruchtaromen und eine frische Note, die durch in manchen Fällen durch einen Touch von Minze und/oder Eukalyptus vermittelt wird. Ein Shiraz 2003 von Heathcote Estate aus dem Gebiet um die Stadt Heathcote, einer Shiraz-Hoffnungsregion, aus sehr jungen Anlagen beeindruckt mit Saftigkeit und vielschichtigen Fruchtaromen, wenn auch (noch) ohne die Struktur, die ältere Rebstöcke auf guten Lagen bringen können.

Am Vanille sollt ihr sie erkennen?

Der Weinbau richtet sich an „warm“ und „cool areas“ aus. Je kühler das Gebiet, desto weniger ausladend und tanninbetont, desto eleganter und fruchtiger die Weine. Gebiete mit gemäßigterem Klima und deutlicheren Unterschieden zwischen Tages- und Nachttemperaturen erfreuen sich in jüngerer Zeit sowohl bei Weintrinkern wie Weinmachern immer größerer Beliebtheit, was logischerweise die Weinstile deutlich beeinflusst hat: Vor allem beim auf dem ganzen Kontinent stark verbreiteten Chardonnay ist der Zug zu weniger Üppigem und Holzbeladenem eindeutig. Der Trend findet auch in einer – allerdings auch historisch bedingten - Vorliebe für Riesling oder für Semillon seinen Niederschlag. Pinot Noir, dem es bald einmal zu heiß wird, ist für viele australische Weinmacher die große Herausforderung und wird im Yarra Valley, nordöstlich von Melbourne, und auf der Mornington Peninsula, einer Halbinsel am südöstlichen Ende der Bucht von Melbourne, mit sehr guten, geschmacklich eigenständigen Ergebnissen gepflegt. „Subregionality“, ein Ausdruck, der bei so gut wie allen Besuchen in welcher Region auch immer fiel und das Zusammenspiel von Boden, Klimaten, aber auch Klonen beschreibt, wird als die australische Entsprechung des in Europa so gewichtigen Begriffs „Terroir“ gehandelt.

Australien besteht natürlich nicht nur aus Shiraz. Cabernet Sauvignon ist ähnlich lange im Land, ist aber in seinem Anspruch an die Bedingungen etwas wählerischer als Shiraz und bringt in weniger heißen Gebieten ausgezeichnete Ergebnisse. Vor allem auf den roten Böden um Coonawarra, einer im Gegensatz zu Barossa von Besuchern wenig frequentierten Gegend, bringt er hervorragende langlebige Weine hervor wie eine Verkostung bei Wynns zeigte. Weinmacherin Sue Hodder präsentierte u.a. einen Cabernet „John Riddoch“ aus dem Jahr 1982, der von erfreulicher Frische war ebenso wie ein Claret aus 1956. Auch Bin 707 Cabernet Sauvignon von Penfolds („Best of Cabernet“ aus verschiedenen Regionen wie Barossa Valley, Coonawarra, Padthaway und einige mehr) aus dem nicht einmal speziell guten Jahr 1989, schmeckte frisch, dicht und ausgesprochen „cabernet-ig“ nach schwarzen Johannisbeeren, was dem gerne strapazierten und sträflich allgemein gehaltenen Vorurteil widerspricht, nach dem australische Weine nicht altern können.

Der Hang zum Südfranzösischen

Steigender Beliebtheit erfreuen sich südfranzösische Traditionssorten, „GSM“ genannt, was für Grenache, Syrah, Mourvèdre oder eine Kombination daraus steht. Rein stilistisch bedeutet das eine Gratwanderung zwischen Kopie des französischen Originals und dem Entwickeln einer eigenständigen Charakteristik. Ein gelungenes Beispiel ist „GSM“ von Rosemount McLaren Vale. Eine weitere äußerst „modische Mischung“ derzeit ist Shiraz mit der weißen Rebsorte Viogner verschnitten, wie es an der nördlichen Rhône praktiziert wird.

Italienische Sorten als Spielwiese

Vergleichsweise neu im Spiel und nicht nur in kühleren Regionen beliebt, sind italienische Sorten wie Sangiovese, Barbera oder sogar Lagrein. Mac Forbes, önologischer Berater in Carnuntum und Besitzer eines kleinen Betriebes im kühlen Yarra Valley, produziert u. a. Arneis, (Weißwein) und Barbera, alle beide gemeinsam mit dem vielleicht bekannteren Nebbiolo im Piemont beheimatet, von beachtlicher Qualität. Wobei nicht die Kopie des Originals das Ziel sei, wie er erklärt, sondern auszuloten, ob und wie sich die Sorte für die lokalen Gegebenheiten eignet und welcher Stil daraus entstehen kann.

Port-Stil

Noch immer sehr beliebt, allerdings unter der Bezeichnung Portwein, der von Portugal geschützt wurde, nicht mehr auf den Markt zu bringen, sind aufgespritete Weine, deren Gärung per Zugabe von Brandy gestoppt wird. Seppelt, eine Familie die ursrpünglich aus Schlesien zugewandert ist und sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Barossa Valley etablierte, steht heute noch für Portwein-artige Weine und für Schaumweine. Nicht wenige der heute etablierten Firmen wie auch Penfolds begannen mit aufgespriteten Weinen, was Hugh Johnson in seiner „Weingeschichte“ als „naheliegend“ bezeichnet, „da England in dieser Zeit unter der Vorherrschaft des Port stand“ und das Klima, dem die englischen Auswanderer in Australien lebten und arbeitete, wenn überhaupt vor allem „süße, potenziell alkoholstarke Frucht“ brachte, die dann mit Brandy versetzt wurden, um den Wein haltbar und „portweinähnlich“ zu machen. Penfolds bringt auch heute noch aufgespritete Weine auf den Markt.

Weißweine

Chardonnay, die Reputationssorte Australiens, wurde in den 60-er Jahren erstmals ausgepflanzt, ist also vergleichsweise „jung“ – vergleichsweise zu Shiraz z.B., selbst wenn 30- bis 40-jährige Rebstöcke noch immer Methusalems sind, bedenkt man das Durchschnittsalter solcher Anlagen hierzulande. Rein stilistisch geht man auch hier hin zu Eleganterem, wobei auch die weniger holzbeladenen Chardonnays aus wärmeren Regionen naturgemäß etwas üppiger ausfallen. Der Umgang mit Holz ist höchst gekonnt, wobei hier bewusst von „Holz“ gesprochen wird, da für die billigeren Markenweine aus Kostengründen meist Innerstaves verwendet werden.

Auch Pinot Gris, dessen Image hierzulande unter den norditalienischen Massenprodukten sehr gelitten hat, ist häufig anzutreffen und bringt vor allem aus den kühleren Gebieten runde, harmonische und ungewohnt fruchtintensive Weine. Schaumweine, die nach europäischem Herstellungsvorbild vor allem aus Pinot Noir und/oder Chardonnay in den „cool areas“ produziert werden, dringen mit wenigen Ausnahmen des einen oder anderen Sparkling Shiraz nur selten nach Europa durch. Die Qualität vor allem der äußerst beliebten „Tassi bubbles“ aus der Pinot-Noir-Hochburg Tasmanien ist gut.

Riesling war immer sozusagen ein Liebkind, das aus Europa mitgebracht wurde, und erlebt derzeit als Renommierrebsorte einen ziemlichen Höhenflug. Leider wird er auch in Regionen ausgepflanzt, die klimatisch nicht wirklich dafür geeignet scheinen. Die Weine sind teilweise trotz Beigabe von Weinsäure, dem weit verbreiteten australischen Pendant zum europäischen „Aufzuckern“, stilistisch nicht einmal mehr unter „breit und exotisch“ einzuordnen. Die gelungenen Exemplare entschädigen dafür weitgehend. Und diese kommen nicht ausschließlich aus den für hervorragende Rieslinge bekannten Regionen Eden bzw. Clare Valley. Wynns in Coonawarra, spezialisiert auf Cabernet, produziert einen fein ziselierten, eleganten, mittelkräftigen Riesling. Und dass Sue Hodder Österreich als „Riesling-Vorbild“ bezeichnet – ohne die jeweiligen Nationalitäten der Zuhörer zu kennen – bereitet doch einige Freude.