Der Himmel über ihm hängt voller Lampenschirme verschiedenster Facon. Denn bei Lichte besehen gibt es in Anatols Leben viele Wahrheiten: Die Sehnsucht nach der vorsichtigen Gabriele (Frederike von Stechow), die Zuneigung zur naturverliebten Cora (Ninja Reichert), die Leidenschaft, die ihn an die verheiratete Else (Martina Stilp) bindet, die zarte Erinnerung an die Artistin Julia Bartolome oder die Machtspielchen mit der Schauspielerin Annie (Katja Hirsch).
Facetten eines Menschen
Alle sind sie für den Romantiker Anatol, den Dominik Warta im Laufe der Premiere am Freitagabend immer überzeugender als egozentrischen Liebhaber gibt, wahr. Warta agiert dabei manchmal als ängstlicher, manchmal präpotenter Mann, und manchmal wie ein Kleinkind in der Trotzphase brüllend. Facetten eines Menschen, der nur eines nicht schafft: mit sich allein er selbst zu sein.
Marc von Henning arbeitete dabei nicht nur mit einem äußerst stimmungsvollen Bühnenbild von Ralph Zeger, er spielt mit einem Perspektivenwechsel: Durch einen in den Guckkasten gebauten Kinosaal blickt man auf eine Leinwand, hinter deren Vorhängen wiederum das Bellaria Kino mit verlassenen Schaukästen von außen zu sehen ist.
Lichtspiel: Projektion
Dieses Lichtspieltheater ist die Materialisierung von Anatols Spiel mit den Geliebten: Er projiziert die eigene Untreue, Angst und Verlogenheit in Form von Misstrauen und Eifersucht in Reinkultur auf die jeweilige Frau, die für ihn zur Leinwand wird. Die Frauen wiederum begehren gegen diesen Missbrauch - auch mithilfe solider schauspielerischer Leistungen - auf. Es sind durchwegs kräftige Frauenfiguren, die hier aus der Opferrolle in das Licht der "anatolischen" Glühbirnen treten.
Ein reines Vergnügen ist das Zusammenspiel von Warta mit Franz Solar, der aus der Figur des Freundes Max mehr herausschält, als Schnitzler diesem in den Mund gelegt hat: Max wird zur einzigen wirklichen Beziehung, die er ohne Verfremdungen des Gegenübers lebt, die ihm eines Tages auch wahrhaftig fehlt. Die Regie lässt Max dafür am Ende sogar sterben.
Zeiten des Stummfilms
Auch ein paar Musikeinlagen, begleitet vom Pianisten Franz Steiner, der wie in Zeiten des Stummfilms das Geschehen vor der Bühne begleitet, werden von den Damen dargeboten. Wobei vor allem Martina Stilp mit der aus der Loge im ersten Rang gesungenen Tori-Amos-Nummer "Leather" stimmliches Feingefühl beweist.