Hochkarätige Kenner der Gastronomie und Esskultur begleiteten den UniStandard zum Studentenfuttertest: Starkoch Christian Domschitz (rechts) vom Sechs-Sterne-Hotel Ambassador, Geschäftsführerin Marisa Sailer (2. von links) von Gourmet Menu Service, das 100.000 Menschen im Großraum Wien bekocht, der Vorstand des Institutes für Ernährungswissenschaft, Ibrahim ElMadfa (links), und natürlich eine Studentin mit reichlich Mensenerfahrung, Lisa Brunner (2. von rechts).

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Essen ist mehr als die simple Befriedigung von Trieben. Darüber waren sich die zur kulinarischen Entdeckungsreise geladenen Experten einig. Das Fazit: Nicht alles, was für knappe vier Euro den Weg in die Magengrube findet, gehört zur Kategorie lukullischer Freuden.

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An den Essensausgaben - die alle ihren Großküchen-Charme nicht kaschieren konnten - wurde dank der katholischen Tradition des Freitags einheitlich panierter Fisch mit Kartoffeln serviert. Die Kriterien Ambiente - wer isst schon gerne in einem feucht-kalten Kellerloch - und die Qualität der Kost bilden gemeinsam die Gesamtnote.

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Kritisch wurden Geschmack, die kulinarische Finesse, die Zubereitung und Optik der Speisen von Domschitz und Sailer diskutiert. Und das mit dem Bewusstsein, in einer Großküche zu speisen. Der ernährungsphysiologische Nutzen der Mensa-Menüs war die Domäne von ElMadfa, in dessen Institut die Nährwerte dieser errechnet wurden.

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Das Obergeschoß: Mensa im NIG, 8., Universitätsstr. 7:

"Für mein Gefühl schaut mir das ein bisschen fettig aus", konstatiert Sailer beim Anblick des triefenden Fischfilets und dem Beilagenberg an Petersilkartoffeln. "Die Panade saugt extra Fett auf", kritisiert ElMadfa. Das Alternativ-Menü, Topfenpalatschinken ist Brunner definitiv "zu süß" und "zu flüssig" - dank der extradünnen Vanillinsoße. "Typisch Mensa", wie sie meint, ist alles auf einen Teller gegatscht.

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Über Süßspeisen als Hauptgericht ärgert sich ElMadfa, der sich "mehr Vielfalt" im Angebot wünscht. Als Dessert wären eine halbe Portion der als "Brainfood" ausgeschilderten Austro-Crêpes kein Problem, als Hauptspeise seien es zu viele Kalorien. Gekocht werde hier nach dem Motto: "Die Leute essen was sie mögen, und sie mögen, was sie kennen", beruft sich der Ernährungswissenschafter auf österreichische Sprichwörter.

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"Ich würde mir keines der Menüs als Mittagessen wünschen", sagt Sailer. "Innovation ist das Um und Auf", weiß sie aus eigner Erfahrung. "Es fehlt an Gemüse", so der gängige Tenor. Der mickrige Ein-Euro-Salat deckt den Vitaminbedarf der Studierenden niemals. Über das Dessert-Fruchtjoghurt freute sich Brunner.
Note: 3-

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Die Christliche: Katholische Mensa, 1., Ebendorferstr. 8:

Im Keller des vor imperialer Pracht strotzenden Gebäudes wird als Hauptgang "Scholle gebacken" kredenzt, was Brunner bereits beim Betreten wittert. Eine dicke, cocktailsoßenfarbige Fischsuppe für günstige 1,10 €spielt sich als Vorspeise auf. Deren Geschmack wird von Domschitz als "gut" befunden.

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Doch Fisch als Vor- und Hauptspeise anzubieten, gefiel den Experten weniger - auf Begeisterung stieß dafür der Kartoffelsalat. "Farblich schön, mit roten Zwiebelwürfeln", loben ElMadfa und Sailer den Vogerlsalat. "Man merkt, dass mit Ambition auch in der Massenküche viel machbar ist", loben Sailer und Domschitz die Küchenchefin des Hauses.

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In die Kategorie "ernährungsphysiologisch bedenklich" ordnet ElMadfa den "Kipferlscheiterhaufen" - zehn Kilo Kipferl, zwei Kilo Zucker und Eier hieß es auf Rezeptanfrage. Vanilletopfencreme und Fruchtschaumschnitte, in chemisch-anmutendem Rosa gehalten, stießen auf wenig Gegenliebe.

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Besonderer Service der gut besuchten Mensa: Gäste können Essenswünsche - ob Marillenknödel, Mohnnudeln oder mehr Gemüse - beim netten Küchenpersonal deponieren. Domschitzs Favorit erreichte den knappen zweiten Platz.
Note 2+

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Die Internationale: Afro-Asiatische Mensa, 9., Türkenstr. 3:

Gediegen lässt es sich in der Mensa des Afro-Asisatischen Institutes speisen. Bei angenehmer Raumtemperatur von 24,8 Grad und einem in Sandtönen gehaltenen Ambiente kommt man auch wegen der Preise nicht ins Schwitzen. "Viel zu stark gekocht" ist für Sailer die Zwiebelsuppe auf welche die obligatorische Freitagsfischkost und selbst gemacht wirkende Spinat-Crêpes folgen. Mit leckerer Joghurtsauce serviert, entlockt ElMadfa der erste Anblick der Beilage den freudigen Ausruf: "Frisches Gemüse, das ist gut!"

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Mindestens 30 Prozent der Kost sollte frisches Gemüse ausmachen", rät der Ernährungswissenschafter. Mit feinem Minze-Aroma im Kraut-Karotten-Salat punktet die Afro-Küche in Sachen Kreativität bei Studentin Brunner. Der Ethnoflair und die dezente Hintergrundmusik macht diese Mensa zum Testsieger. Das etwas zerlaufene Beerenmousse als Dessert, sei laut Domschitz "keine Paradiescreme", wie Brunner vermutete. Trotzdem verdient:
Note: 1-

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Die Techniker: TU Wien, 4., Wiedner Hauptstr. 8-10

Es wirkt fast wie eine Marketingstrategie: Das günstigste Menü, drei fischähnliche Frikadellen und Fertigkartoffelsalat sowie eine undefinierbare gräuliche Suppe (Pilz?), zwinge die Gäste ja geradezu, auf die sechs Euro teure Lasagne auszuweichen, meinen die Verkoster im Tenor.

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Auch die "Spitalsuppe", wie Sailer die Pilzbrühe bezeichnet, wird nach vier Löffeln schlichtweg stehen gelassen. Die Frikadellen langweilen die Geschmacksnerven der Tester alleine schon durch ihre tranige Optik.

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"Es ist schade, dass viele nur soweit denken, wie ihre Warenausgaben reichen", echauffiert sich Sailer. "Wir sind doch nicht irgendwelche Viecher, die abgespeist werden müssen", ist auch Brunner sauer.
Note: 5

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Gugging auslöffeln

Beim abschließenden Besuch der Finanz.Genuss-Mensa im Finanzministerium, die öffentlich zugänglich ist, wird deutlich, dass auch für fünf Euro frisches, nahrhaftes Essen serviert werden kann. "Vielfalt und Kreativität sind auch in der Tagesversorgung möglich", weiß Sailer aus Erfahrung.

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Ob die Betreiber günstige und gute Kost anbieten können, liege oft an den Cateringverträgen. Die Frage ob in einer Elite-Uni auch exzellente Küche nötig sei, lässt ElMadfa auflachen: "Wer gut isst, ist natürlich leistungsfähiger", betont er. Im Fall Gugging helfe aber auch die beste Küche nichts mehr.
Link
www.mensen.at

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