Sollten Sie sich jemals gewundert haben, weshalb Mütter gestresst, Kinder verwahrlost, Familien unter Druck, Frauen weniger berufstätig sind als gewünscht und die Wirtschaft lahmt - eine Bedarfsanalyse für die Industriellenvereinigung über Kinderbetreuungsplätze bis 2015 hat Antworten.

Trotz großzügigsten Kindergelds und Ausbaus außerhäuslicher Betreuung in den letzten Jahren steht es nämlich um deren Qualität nicht zu gut: Wen wundert, dass Eltern mit Öffnungszeiten und Ferienschließzeiten unzufrieden sind, wenn viele Kindergärten nachmittags und manche gar bis zu einem Viertel des Jahres geschlossen bleiben?

Und das Angebot? Jede(r) kennt Klagen über mangelnde Krippen und Horte, Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreuung. Die von Österreich mitbeschlossenen Barcelona-Ziele der EU erforderten bis 2010 eine Verdreifachung der Betreuungsquote für Kleinkinder oder 50.000 zusätzliche Plätze. Nach französischen Standards 65.000, nach schwedischen sogar 110.000 Betreuungsplätze mehr für Kinder unter drei Jahren.

Doch wollen die Eltern das überhaupt? Dass unser Land zumindest nicht hinter Portugal zurückbleibt? In Niederösterreich etwa würde ein Drittel der Eltern Angebote für Kinder unter drei Jahren annehmen - genau die Barcelona-Quote. Und Wien ist ohnedies anders, anspruchsvoller. Zu welchen Bedarfsquoten und absoluten Zahlen für den derzeitigen und künftigen Bedarf kommen welche Studien mit welcher Methodik? Ist sinkender Bedarf bei sinkender Betreuung ein Hinweis auf Sättigung? Gibt es ein Gleichgewicht bei Unterbetreuung? Und ist steigender Bedarf trotz steigender Betreuung ein Beleg für angebotsinduzierte Nachfrage, wonach erst neue Angebote neue Nachfrage schaffen?

Aus OECD-Sicht ist das österreichische Kinderbetreuungssystem gut, mit Geld sehr großzügig und sehr preiswerten Diensten, besonders bei Kleinkindern; zugleich aber ist es für Kinder unter drei europaweit Nachzügler, der Betreuungsschlüssel ist verbesserbar, der größte Nachholbedarf liegt in der Nachmittagsbetreuung für Kinder von 6 bis 14, und es wird zu viel Geld- und zu wenig Sachleistung geboten. Statt treffsicher zu sein bevorzugt es Besserverdienende. Selbst Spitzenverdiener werden hoch subventioniert und zahlen etwa in Wien - mit Mittagessen - gerade einmal 250 Euro der tatsächlichen Betreuungskosten von rund 900 Euro monatlich. Zugleich bleiben zwar nur 1,7 Prozent der Kinder unbetreut, weil dies als "zu teuer" empfunden wird, für immerhin 20.000 Frauen lohnt sich aber Berufstätigkeit schon aus Kostengründen nicht.

Was machen eigentlich die 200.000 Kinder berufstätiger Mütter ohne Betreuungsplatz? Und wie fühlen sich 50.000 erwerbswillige Mütter ohne Job und ohne Kinderversorgung? Bereits jeder dritte Betreuungsplatz wird für Kinder nicht erwerbstätiger Mütter gewünscht. Wie könnte sich die Betreuungslücke bis 2015 entwickeln? Sind freiwerdende Kapazitäten in Kindergärten und Unterauslastung durch Geburtenrückgang erwartbar? Gibt es keinen zusätzlichen Bedarf, wie manche behaupten, oder fehlen bis zu 662.000 Kinderbetreuungsplätze? Und wenn, nach welchen Standards? Wie kommt es zu nicht genutzten Betreuungsplätzen und gleichzeitig abgewiesenen Kindern?

Wenn Sie das alles wissen, umso besser. Wenn nicht, Sie es aber dennoch wissen wollen oder sollten, so lesen Sie bitte Michael Fuchs, Kinderbetreuungsplätze in Österreich, unter www.euro.centre.org . (DER STANDARD, Print, 6.3.2006)