Ein dunkelblauer Nachthimmel mit Sternbildern und Milchstraße, Lampiongirlanden, Wandschirme, Baldachine, Bronzegongs, Rollbilder, prächtige Kostüme nach chinesischer Originalvorlage - Jozef Bednáriks Inszenierung von Puccinis Turandot macht auf den ersten Blick einen pompösen Eindruck, besonders auf der kleinen Bühne des Opernhauses Bratislava.

Im weiteren Verlauf der Premiere am Slowakischen Nationaltheater wird aber deutlich, dass diese Üppigkeit der Postmoderne angehört: Bühnenbildner Vladimír Cáp hat keine Palastfassaden errichtet, chinesische Architektur wird nur durch Rahmenelemente angedeutet, Szenenwechsel erfolgen zügig, die Lichtregie hat einiges zu leisten, Chor und Solisten sind ständig in Bewegung, und dem alten Kaiser bleibt es ebenfalls nicht erspart, einige Schritte zu Fuß zu gehen.

Aus der Kaiserzeit, jener nämlich des europäischen Reichs der Mitte, stammt denn auch das Opernhaus von Bratislava, am schönsten Platz der slowakischen Hauptstadt gelegen. Im Jahre 1886, Bratislava hieß noch Preßburg und gehörte zur ungarischen Reichshälfte der Doppelmonarchie, war das im Neo-Renaissance-Stil erbaute Haus eröffnet worden, als einer der 43 (!) Theaterbauten des Wiener Architektenduos Ferdinand Fellner und Hermann Helmer (von denen auch die Wiener Volksoper stammt).

Damals verkehrte noch eine Straßenbahnlinie zwischen Wien und Preßburg, und so wie auch heute wieder kam gut ein Viertel der Besucher aus Wien. Angesichts eines nicht allzu üppigen Gesamtjahresbudgets von 360 Millionen slowakischer Kronen (10 Millionen Euro) wird in Sachen Oper Großes geleistet: Täglich außer Sonntag eine Repertoirevorstellung aus einem Fundus von 30 Produktionen, etwa alle zwei Monate eine Premiere, und sogar Starregisseure wie Peter Konwitschny werden engagiert.

Stark angestiegene Kartenpreise waren in den letzten Jahren die Konsequenz, die bloß 611 Sitzplätze zählende, nach den Zerstörungen des Krieges originalgetreu wiederhergestellte Oper ist dennoch stets so gut wie ausverkauft. Weshalb Direktor Marián Chudovský schon laut überlegt, ob nicht ein zweites Haus gebaut werden sollte.

Jozef Bednárik, der seine Karriere als Schauspieler begonnen hat, ist einer der wichtigsten slowakischen Opernregisseure der Gegenwart, und seine Ideen sprühende Turandot-Inszenierung, die kaum je zur Ruhe kommt, charakteristisch für seinen Stil.

Alle Partien sind mehrfach besetzt, L'ubica Rybárska war mir ihrer kühlen Primadonnenhaftigkeit eine erste Wahl als Turandot. Das Opernorchester einstudiert hatte der prominenteste slowakische Dirigent, Ondrej Lenárd. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 3. 2006)