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Als das Beginnen den neuen Hausherren noch froh gestimmt hat: Michael Schottenberg, Wiener Volkstheater-Direktor, mit dem Giebelzeichen künstlerischer Widersetzlichkeit.

Foto: APA/Newald
Wien – Michael Schottenberg, seit gut einem halben Jahr amtierender Direktor des Wiener Volkstheaters, ruft lautstark um Hilfe: Ihm sei, so Schottenberg, von der Direktion Emmy Werners "eine Schuldenlast von etwa 900.000 Euro" hinterlassen worden.

Die wenigstens teilweise Tilgung der Schuld macht Schottenberg ebenso zur Bedingung seines Weiterverbleibs wie die Abgeltung jener Valorisierungen, deren Ausbleiben das Haus seit 2000 schwer belasten. Schottenberg: "Die Stadt ist gewillt zu zahlen, aber nur, wenn der Bund auch mit im Boot ist. Das alte Spiel. Jetzt liegt der Ball also beim Bund. In der vorigen Direktion wurden alle Reserven aufgelöst. Soll ich denn Menschen entlassen, um zu sparen? Ich denke nicht daran! Ich wurde doch nicht als Sanierer engagiert!"

Die schlechte Nachrede bleibt vorderhand an Emmy Werner und deren Verwaltungsdirektor Rainer Moritz haften. Und Werner schlägt die Hände zusammen: "Ich habe exakt zwei Verlustposten hinterlassen: einen betrieblichen Abgang von 105.000 Euro sowie eine offene Forderung an den Subventionsgeber, die sich auf 138.000 Euro beläuft." Was Schottenberg hingegen gebühre, sei die Zahlung der 400.000 Euro Subventionsanpassung (Gesamtetat: 10,3 Millionen Euro).

Schottenbergs Bilanz-Lesart entspreche mitnichten dem realen Geldaufkommen: Werner und Moritz hätten sogar 625.000 Euro Bar-Rücklagen erwirtschaftet und stolz hinterlassen. Die seien zur Gänze von seit Juli '05 gesetzlich gebotenen Abfertigungsleistungen aufgezehrt worden. So hätte Schottenberg rund 20 künstlerisch Beschäftigte ohne Not entlassen.

Die genannte horrende Summe käme nur deswegen zustande, weil, so Werner, "wir uns auf das Angebot einer 'freundschaftlichen Übergabe' des Volkstheaters bereitwillig eingelassen haben. Das heißt: Wir haben Aktivitäten, die bereits in den Übergangsraum von Juli und August hineinfielen, unserer Bilanz ,anhängen‘ lassen." Werner sagt weiter: "Bei einem Verlustvortrag kann es eben heißen: Für die genannte Zahl besteht keine 'Auszahlungsnotwendigkeit'. Es ist mir schleierhaft, wie eine mit der Auslastung rudernde Direktion solche Papiertiger produzieren kann."

Mit dem schönen Einvernehmen der beiden Direktoren ist es vorbei: Werner kündigt an, in ihrem und Rainer Moritz' Namen die Anwälte mit der Causa zu beschäftigen. Werner: "Ich war bisher immer bloß solidarisch mit meinem Nachfolger! Im Augenblick verspüre ich nur Zorn über meine verlorenen Jahre. Was mit uns hier passiert, ist eine Riesensauerei."

Kein Hehl macht indes Schottenberg selbst aus den Auslastungsproblemen, die sein Haus hat: So sei das Remake seiner Berliner Sobol-Inszenierung von Weiningers Nacht "unter 60 Prozent" ausgelastet. Das Hundsturm- Theater wird heruntergefahren: Teurere Bühnenproduktionen werden in Wien-Margareten nur noch fallweise stattfinden.

Fragen nach seiner Bilanzlesart kontert Schottenberg gegenüber dem STANDARD mit dem Hinweis auf das Wiener Kulturamt: "Was immer Frau Werner sagt: Die 900.000 Euro sind für uns eine Liquiditätssache. Es ist alles von Wirtschaftsprüfern durchgesehen, und die Stadt Wien, die unsere Lesart bestätigt, versucht nach Kräften einzuspringen." Die Schmerzgrenze sei erreicht, wenn der Bund keine 300.000 Euro zubüßt. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.03.2006)