Irene Jancsy bezeichnet Österreichs rigorose Einschränkungen für den Bereich der Reproduktionsmedizin als überholt. Eigentlich ist es gar nicht witzig. Trotzdem erregt im Staatssekretariat für Gesundheit allein das Wort größte Heiterkeit: Eine Frage nach dem 1992 beschlossenen Fortpflanzungsgesetz löst anno 2000 beim Sprecher von Reinhart Waneck animiertes Kichern aus. Selbstsicher amüsiert gesteht der Mann schließlich, er habe "gar nicht gewusst, dass es dafür ein Gesetz gibt". Dafür. Hat er nicht gewusst. Beachtlich. Aber Zukunftsthemen waren ja noch nie unsere Stärke. Es überrascht also nicht, dass unser "Fortpflanzungsmedizingesetz" eines der restriktivsten in Europa ist. Ebenso gut ins Bild der im Vorgestern verharrenden Alpenrepublik passt auch, dass keine differenzierte Debatte über die Sinnhaftigkeit rigoroser Einschränkungen der Reproduktionsmedizin stattfindet. Deutsche Debatte Wer hierzulande eine Liberalisierung fordert, wird behandelt, als wollte er noch heute Nachmittag Frankensteins Monster zum Leben erwecken. Wie man es auch machen kann, zeigt die deutsche Gesundheitsministerin. Sie hat jüngst Experten zu einem Symposium über Fortpflanzungsmedizin geladen. Dass das Thema nun in Politik und Medien mit der angemessenen Ernsthaftigkeit diskutiert wird, ist also auch das Ergebnis aktiver Berliner Regierungspolitik. Zurück nach Österreich, zurück zu den Anfängen. Da ist erst einmal klarzustellen, was ohnehin klar sein sollte: Der Mensch nach Maß ist eine Horrorvision. Grauenvoll wäre eine Welt, in der die Kinder der Reichen als sorgfältig designte Mini-Genies geboren werden und schon im Kindergarten damit protzen, dass sie nie an Alzheimer erkranken werden. Willkür statt Ethik Bloß: Mit den Fragen, die es heute zu beantworten gilt, hat das wenig zu tun. Das Fortpflanzungsgesetz bedarf dringend einer Überholung. Viele Passagen darin sind weder mit Logik noch mit Ethik, sondern nur mit Willkür zu erklären. So darf für die Zeugung eines Kindes gespendeter Samen verwendet werden, aber keine gespendete Eizelle. Für den Papa darf also jemand einspringen, für die Mama nicht. Spendersamen ist für Inseminationen zugelassen, also für die künstliche Befruchtung im Körper der Frau, nicht aber für In-vitro-Fertilisationen, also für die Befruchtung außerhalb des Körpers. Schwer nachvollziehbar ist auch, warum befruchtete Zellen genau ein Jahr, aber keinen Tag länger tiefgefroren werden dürfen. Man nimmt damit Krebspatienten, die das Ende einer Chemotherapie abwarten müssen, bevor sie sich ans Babybasteln machen können, die Chance auf ein eigenes Kind. Komplexer ist die Frage der Präimplantationsdiagnostik (PID). Dabei wird im Zuge einer In-vitro-Fertilisation der frisch gezeugte Embryo auf Erbschäden untersucht und allenfalls nicht implantiert. In zehn anderen EU-Ländern ist das Verfahren üblich, in Deutschland sind diese Embryonen-Checks immerhin Gegenstand heftiger Debatten. Angst vor "Eugenik" Kritiker sehen mit der PID eine moderne Form der Nazi-Eugenik wieder auferstehen. Was sie dabei aber gern übersehen: Ein nicht unbeträchtliches Maß an Selektion findet längst statt. Jede Frau, die heute in unserem Kulturkreis schwanger ist, kann ihr Baby im vierten Schwangerschaftsmonat per Fruchtwasseruntersuchung screenen und im Fall einer ungünstigen Diagnose abtreiben lassen. Frauen über 35 Jahren wird diese - für den Fötus nicht ungefährliche - Untersuchung meist dringend angeraten. Das PID-Verbot wird damit völlig ad absurdum geführt. Ein Paar, das befürchtet, Erbschäden an sein Kind weiterzugeben, darf eine gerade erst in vitro befruchtete Eizelle nicht untersuchen lassen. Fünf Monate später aber darf der Fötus legal abgetrieben werden, wenn eine Fruchtwasserprobe Schäden bestätigt. Die PID-Gegner aber befürchten einen Dammbrucheffekt: Wenn die Auslese erst einmal begonnen habe, sei Missbrauch nicht mehr zu verhindern. Erst würden kranke Embryonen im Müll landen, später dann jene, die nicht das gewünschte Geschlecht oder die präferierte Haarfarbe verspechen. Schutz vor Missbrauch Das ist extrem unrealistisch. Denn die PID betrifft nur jene Embryonen, die in vitro gezeugt werden. Die künstliche Befruchtung ist im Vergleich zur herkömmlichen Methode, ein Kind zu zeugen, ein aufwendiges, teures und wenig vergnügliches Verfahren, mit immer noch relativ geringen Erfolgsaussichten. Aus purer Eitelkeit wird es kaum jemand über sich ergehen lassen. Wie in jedem anderen Bereich müssen sorgfältig ausgearbeitete Gesetze vor Missbrauch schützen. Überheblichkeit Ein brauchbares Fortpflanzungsgesetz wäre eines, das weder von irrationalen Ängsten, noch von der Überheblichkeit derer, die auf einfachem Weg zu gesunden Kindern gekommen sind, geprägt ist. Davor aber muss sich in den zuständigen Ministerien erst herumsprechen, dass es "dafür" ein Gesetz gibt. Kein Scherz. Irene Jancsy ist freie Journalistin in Wien.