Unverzichtbare Dreifaltigkeit eines richtigen Wirtshaustisches: die Salz-Pfeffer-Maggi-Menage, die bei Natascha Orlik aber vor allem dekorativen Charakter hat.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wenn ein Lokal sich "Wia Z'haus" nennt, dann darf man sich nicht wundern, wenn es von den einschlägigen Wirtshausführern und sonstigen Restaurantexperten erst einmal ignoriert wird: Zu zahlreich (und oft auch eher zwielichtig) sind mittlerweile die Lokale im Lande, die sich nämliches Wortspiel zum Namen gemacht haben, das, nur nebenbei, lediglich scheinbar Sinn macht. Ins Wirtshaus geht man nämlich hauptsächlich aus einem Grund: um sich eben nicht zu Hause fühlen zu müssen, wo Essen gekocht, Geschirr gewaschen, Kinder zurecht gewiesen, Socken verräumt und bessere Hälften befriedet werden wollen.

Jenes "Wiener Wia Z'haus", das sich an die Ecke Gußhausstraße und Karlsgasse in Wien-Wieden schmiegt und auf der anderen Gassenseite, im Schatten einer alten Platane, einen mehr als angenehmen Schanigarten bietet, gibt es seit nunmehr sechs Jahren - und von Zwielicht ist in den hellen, hohen Räumen mit alter Schank und Meublage keine Spur. Wirtin Natascha Orlik führte davor mit ihrem nunmehrigen Exmann das "Alte Fassl" in der Ziegelofengasse mit seinem legendär lauschigen, geschotterten Hofgarten. Wie jenes verfügt auch das "Wia Z'haus" über ein altes, getäfeltes Gastzimmer mit sehr schönen Gasthausstühlen und einer alten Schank mit (beinahe) originaler Kühlung.

Wie anno dazumal...

An den Wänden darf Natascha Orliks Lebensgefährte seine Sammlung alter Reklameschilder ausstellen, und die hat es in sich: vom Eskimo-Eisschild aus Blech, auf dem der Urzeit-Schlecker Jolly noch als "neu" angepriesen wird (für Preisnostalgiker: zwei Schilling), über rare, emaillierte Libella-, FruKola- und Sinalco-Limonadenschilder, Tafeln aus Zeiten, als das Viertel Zöbinger Riesling um 60 Groschen veräußert wurde, bis zu wirtschaftswunderlichen Thea-Margarine-Reklamen, in denen der pflanzenfettige Block tatsächlich für die Sauce hollandaise zum Spargel empfohlen wird.

Von derlei Verirrungen ist in der Küche zum Glück nichts zu bemerken. Die Leberknödelsuppe mit zwei gut gewürzten Knödeln ist mehr als anständig, die auf dem Tisch harrende Menage samt Maggi-Flasche fügt sich prächtig ins nostalgische Interieur, darf aber ungenutzt bleiben. Erdäpfel-Vogerlsalat mit Speck und Croutons hat die Größe einer massiven Hauptspeise - schade, dass aus der angekündigten Senfsauce dann doch nur ein mattsäuerliches Jogurtdressing wurde.

... und irgendwie doch daheim

Dafür ist die gebackene Kalbsleber samt Mayonnaise- und Gurkensalat schlicht großartig, nicht zu dünn geschnitten und augenscheinlich in der Pfanne zu butterzarter Finesse gebrutzelt. Kein Wunder, dass auch der Sechser-Tisch Franzosen, offenbar Stammgäste aus der nahen Botschaft, sich mehrheitlich dafür entscheidet - dabei ist Gebackenes sonst meist ein sicherer Fluchtgrund für hierorts widerständige Gallier.

Überhaupt scheinen die meisten Tische mit Stammgästen besetzt zu sein, Studenten und Professoren von der nahen TU ebenso wie jene zwei Buben, die sich an überbackenen Schinkenfleckerln (Tagesteller) und Obi gespritzt gütlich tun, um den Kellner danach wissen zu lassen, "dass die Mama am Wochenende zahlen kommt". Spätestens dann fühlt man sich im "Wia Z'haus" doch irgendwie daheim.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/21/04/2006)