Mit Maus und Wurm bewaffnet schaffen Informatiker Strukturen, verknüpfen Information und ertasten die weiten Grenzen des Cyberspace. Sie wohnen an der Schnittstelle zur Virtualität und schlagen mit Abstraktionsvermögen im Gepäck ihre Zelte in allen Berufsfeldern auf.

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Wien - Hornhaut an den Fingerspitzen, eckige Augen und den Kopf voller Zahlen: Tastaturakrobaten, die ihren Alltag vor dem Bildschirm verbringen, sich ins Pentagon hacken, weltverändernde Systeme programmieren und durch dicke Brillen und Zigarettenrauchschwaden auf ihre hochkomplexen Datenmaschinen starren - unterschiedlichste Klischees über Informatiker und ihre Arbeit haben sich in unsere Köpfe verirrt.

So wie auch die Gleichung Informatik = Programmieren. Diese aber ist extrem vereinfacht und falsch. Denn man erwirbt zwar diese Fähigkeit, das Informatikstudium bedeutet aber viel mehr: "Komplexe Sachverhalte in Teilaspekte zu gliedern, diese zu analysieren und lösungsorientiert zu modellieren", bringt es Florian König von der Studienvertretung an der Uni Innsbruck auf den Punkt.

Er besteht darauf, einen "Programmiersklaven" vom akademischen Informatiker zu unterscheiden. Dieser sei nicht nur auf "informatische" Probleme, sondern auf eine Vielzahl von Aufgabestellungen in Wirtschaft und Technik vorbereitet.

Fundiertes Fachwissen

Auf diese fundierte Ausbildung setzen insgesamt 7578 österreichische Studenten. 108 davon sind seit Wintersemester 05/06 Anwärter auf einen Magister. 1329 Maturanten entschieden sich, in ein Kurzstudium mit einem Bakkalaureatabschluss einzusteigen. Für diesen studiert man mindestens sechs Semester und erwirbt eine grundlegende Wissensbasis. Für den Magister heißt es weitere zwei bis vier Semester studieren.

Wirft man einen Blick in den Studienplan, wird klar, dass Mathematik einen fundamentalen Stellenwert einnimmt: Mit Logiken, diskreter Mathematik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kalkülen ist zu rechnen. Viele Informatik-Interessierte stellen sich daher die Frage, ob diese Hürde aus Theoremen allein als Mathegenie überwunden werden kann. "Man muss keine Angst vor der Mathematik haben", beruhigt Studienprogrammleiter der Universität Wien, Wolfgang Klas. Ein gewisses Gespür für Strukturen und Abstraktionsvermögen sollte man aber mitbringen.

Ist man etwas tiefer in die Materie eingedrungen, bemerkt man, dass sich das Fach nicht nur mit Programmiersprachen und Informationssystemen befasst. Die Beschäftigung mit Mensch-Maschine-Interaktion, Chipentwurf und künstlicher Intelligenz gibt der Informatik ihren Science-Fiction-umwobenen Schleier.

Ingenieurwissenschaftlich liegt das Interesse der Wissenschaft auf Informatiksystemen zur Informationsverarbeitung und -verbreitung. Wie schon im Namen steckt Information auch im ganzen Studium.

Die Gebiete des großen Bereichs Informatik sind schwer unter einen Hut zu bringen, denn er kann sich je nach Universität in Wirtschaftsinformatik, Informatikmanagement, Telematik (beschäftigt sich mit Informationsverknüpfung), Scientific Computing (wo der Schwerpunkt auf Simulationstechnik liegt) oder anderes unterteilen.

Aber so abstrakt und mathematisch die Lehre auch sein mag, Anwendung findet sie in so gut wie allen Bereichen. Nicht zuletzt wegen des Anwachsens der Informationstechnologie in den letzten Jahren ist Informatik im täglichen Leben verankert. So sind die Berufsmöglichkeiten breit gefächert, denn wenige Dinge laufen noch ohne die eingebetteten Computersysteme.

Neben der Möglichkeit, in IT-Unternehmen zu arbeiten, werden Informatiker in vielen Teilen der Wirtschaft eingesetzt. Ein Studienabbruch geht häufig mit einer Unternehmensgründung einher.

Eine große Rolle nehmen verschiedene Optimierungstechniken ein - auch Simulationstechnik gilt als zukunftsträchtiges Gebiet.

Will man via Return-Taste wieder zurück ins Schulleben, kann man Informatik auf Lehramt studieren. Dazu kommt dann ein Block Pädagogik und Fachdidaktik, wo man eine Einführung in die Schulinformatik erhält.

Wer sich in Wien ins informatische Leben einklicken will, muss auf einige Neuerungen gefasst sein: Ab dem Wintersemester 06/07 bietet die Uni Wien Spezialisierungen in den Bakk-Studien an, und zwar in Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Bio- und Medizininformatik und Scientific Computing.

Wie viele Wissenschafter abstrahieren Informatiker von realen Fragestellungen und beschäftigen sich etwa mit Systemtheorie. Das Bild vom quadratäugigen Programmierer reicht nicht, um die Philosophie des Fachs zu erkennen. Denn, wie der niederländischer Informatiker Edsger W. Dijkstra sagte: "In der Informatik geht es genauso wenig um Computer wie in der Astronomie um Teleskope." (Julia Grillmayr/UNISTANDARD, 11. Mai 2006)