Konstantin Filippou hat Glut in den Augen, Gefühl in den Fingern und tolle Rezepte im Kopf: ab jetzt im "Novelli".

Fotos: G. Wasserbauer
Fotos: G. Wasserbauer

Dass einer von Wiens feinsten Italienern nichts weiter sei, als der auf dem Geschäftsschild ausgewiesene "bacaro con cucina" (ein Weinausschank mit Küche), war schon zur Eröffnung des "Novelli" vor sieben Jahren lächerliche Selbstverleugnung. Doch das Understatement wirkte - vom ersten Tag an war das Restaurant mit dem großzügigen Ambiente die liebste Futterstelle der Reichen und Mächtigen der Stadt, die sich bei Fabio Giacobello ihrer Wichtigkeit entsprechend umsorgt fühlen durften.

Fabio ist mit ähnlichem Konzept längst anderswo erfolgreich, der Schmäh mit der aufgesetzten Bescheidenheit aber wurde im "Novelli" soeben um eine Drehung weiter geführt. Nach einem flüchtigen Blick in die Speisekarte würde nämlich niemand auf die Idee kommen, dass hier seit einigen Wochen ein junger Koch am Herd steht, der mit verblüffender Technik und ebensolchem Selbstbewusstsein ein selten spannendes Programm fährt. Auf dem Papier klingen viele Gerichte recht beliebig - von Carpaccio bis Thunfisch-Tartare, von der unvermeidlichen Edel-Mozzarella "Burrata" bis zum Branzino-Filet scheinen die üblichen Verdächtigen in trauter Fadesse versammelt. Aber dann ist alles anders.

Der neue Koch heißt nämlich Konstantin Filippou. Der Grazer mit griechischen Wurzeln ist gerade 25 Jahre alt und kochte zuletzt das "Weibel 3" binnen eines Jahres mit erfrischendem Enthusiasmus auf zwei Hauben hoch. Zuvor lernte er im Steirereck und bei den Obauers, holte sich beim Londoner Ex-Fußballer Gordon Ramsay (drei Sterne) und, vor allem, beim baskischen Oberkoch Juan Mari Arzak in San Sebastian (Sterne: detto) die entscheidende Tiefenschärfe.

Im "Novelli", wo sich die Promi- und Bonzen-Dichte wieder auf das hohe Niveau von einst einzupendeln scheint, dürfte er nun die passende Bühne gefunden haben. "Gemüsesalat mit Frischkäse und Sardinen" mag eher mau klingen, am Gaumen aber nimmt die Kombination aus subtil mariniertem Gemüse mit fenchelwürzig gebratenen Sardinenfilets, Limetten-Aspik und ein paar Kräutern derart hinreißend Kontur an, dass man ganz plötzlich ganz glücklich ist. Auch die zwei Nockerln Frischkäse stören nicht weiter - wie sie den fettreichen Fisch ergänzen sollen, bleibt aber unklar. Gansleber wird kompromisslos kurz, scharf, innen cremig gebraten und mit hauchdünnen Mangostreifen serviert, die zu Stanitzeln gerollt und mit pikanter Ganslebermousse gefüllt sind - großartig.

In derselben Tonart geht es weiter: Der Branzino hätte vielleicht eine Idee weniger Hitze vertragen, in der Kombination mit einem köstlich gefüllten, gegrillten Kalmar und einer wonnigen Safran-Krustentiersauce macht er gleichwohl viel Spaß. Die mit Mascarpone-Creme gefüllte, mit Parmesan gratinierte und dennoch perfekt al dente gegarte Conchiglioni-Pasta (in Form einer großen Muschel) wird mit kurz sautiertem Fenchel, Fisolen und knusprig gebratenen Riesengarnelen serviert: sehr gut, ziemlich spektakulär. In Hinkunft sollte man auf etwas mehr Mut bei der Auswahl der Grundprodukte bestehen (mehr Muscheln, mehr ganze Fische!), im Grunde aber darf man sich über Filippou im "Novelli" nur freuen - denn selbst die Preise sind nicht so schlimm, wie viele glauben. (Severin Corti, DER STANDARD, rondo, 12/5/2006)