Andrea Maria Dusl blickt auf ihre Akademiezeit zurück.

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An einer Akademie muss nichts vermittelt, sondern der Austausch von Ideen in jede Richtung ermöglicht werden, erklärt Andrea Maria Dusl, Filmregisseurin, Cartoonistin und Kolumnistin für die Stadtzeitung "Falter", im Gespräch mit Anne Katrin Feßler.

STANDARD: Wann waren Sie an der Akademie?

Dusl: Von 1981 bis 1985 in der Meisterschule für Bühnenbild bei Lois Egg. Diplomiert habe ich mit zwölf riesigen Illustrationen eines fantastischen Bühnenbilds für Goethes Faust. Der Zwängler Wonder, der Lois Egg beerbt hatte, hat meinen Faust nicht begriffen, Arnulf Rainer und Josef Mikl schon. Damals gab es noch Diplombegehungen des Kollegiums, die statt des zuständigen Professors die Diplome verliehen haben. Ich glaube, heute funktioniert das vielleicht sogar vollautomatisch.

STANDARD: Wie sah die Ausbildung aus?

Dusl: Eine Menge Vorlesungen... Aber für mich war die Akademie Frühstücken mit Lois Egg, einem feinen, eleganten und weltoffenem Herrn. Wen er mochte, den lehrte er, die Welt zu sehen. Nach einem Jahr war ich seine Assistentin und arbeitete am richtigen Theater. An der Akademie entwickelten wir Ideen für Eigenes. Von meinen Kolleginnen lernte ich das Zeichnen, von Josef Mikl das Schauen. Dazwischen saßen wir mit den narrischen Malern beim Smutny, tranken Budweiser und aßen Gulasch.

STANDARD: Was ist Ihnen aus der Zeit in guter Erinnerung?

Dusl: Die vielen Feste, das Zimmer, in dem Professor Griepenkerl den jungen Hitler abgelehnt hat. Dort habe ich mir mit einem Stanleymesser fast die Zeigefingerspitze abgeschnitten. Der Geruch des Leinöls aus den Malerklassen, das Haus am Schillerplatz und sein stiller Zauber: die elegante Architektur, die einsamen Gänge. Das ist auch heute noch so. Die Zeit ist dort stehen geblieben.

STANDARD: Was sollte den Studenten vermittelt werden?

Dusl: Vermittelt soll gar nichts, sondern der Austausch von Ideen ermöglicht werden. Kunst kann nicht gelernt werden, sondern nur gesucht und gefunden und ermöglicht. Oder verunmöglicht wie unter dem Krixikraxizeichner Wolfgang Schüssel, der Künstlern aus persönlicher Perfidie das soziale Messer angesetzt hat.

STANDARD: Was für Faktoren ermöglichen Kunst?

Dusl: Freiräume, Experimente, Austausch, Wahnsinn, weniger das Fließen von Geld. Für Ideen braucht es kein Geld. Geld soll über den Umweg sozialer Netze fließen. Zeit ist Luxus. Und Langsamkeit. Von der Schnelligkeit kommen keine guten Dinge. Kunst ist kein 100-Meter-Lauf. Das lernt man nicht an der Elite-Uni.

STANDARD: Was hat die Akademie Ihnen gebracht? War die Ausbildung eine Hilfe am Kunstmarkt?

Dusl: Alles. Ich habe gelernt, mich zu entschulen, mich selbst zu entdecken. Den "Kunstmarkt" halte ich allerdings für eine Perversion, der nichts mit Kunst, sondern mit Markt zu tun hat. So wie eine Schlafzimmerausstellung nichts mit Liebemachen zu tun hat.

STANDARD: Was fehlte in der Ausbildung?

Dusl: 1981 fand ich die Akademie der bildenden Künste sehr gut. Sie war alles, verstaubt und modern, leise und schreiend, vertrottelt und genial. Vermisst habe ich Sloterdijk. Für dessen gesprochene Sprache kann ich mich begeistern. Ihn hätte ich gerne zum Smutny geschleppt. (DER STANDARD Printausgabe, 22. Juni 2006)