Foto: Lehár Festival Bad Ischl 2006, Pressefoto Hofer, Bad Ischl
Bad Ischl - "Ort der Geschichte"und keineswegs "bloßer Realitätsersatz"sei die Operette in der Monarchiezeit gewesen. Sie war Spiegel der Gesellschaft und Reaktion auf den pluralistischen Background des Vielvölkerstaates, meinte Miguel Herz-Kestranek als Festredner bei der Eröffnung des Lehár Festivals in Bad Ischl. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde der Operette der "Lebensnerv"abgeschnitten: Damit sei sie anfällig geworden für den Zeitgeist, sie sei verkommen zum "Vakuumprodukt"und schließlich zum "auswechselbaren Träger für Musiknummern".

Und als man gar begonnen habe, Operette recht "ernst"zu nehmen und sie größer zu machen als sie war, habe man ihr "ihre Originalität genommen".

Genau an diesem Punkt der posthumen Operetten-Geschichte setzt die Produktion in Bad Ischl ein. Man kann ihr nicht nachsagen, dass sie, wie manchmal das Regietheater - so Herz-Kestranek - an "Verstopfung durch Anliegen"leide. Apropos Anliegen: fünfzig Minuten Festakt vor dem ersten Operettenton! Das Publikum reagierte genervt und bereitete dem Redner (der ihm obendrein nicht nach dem Mund redete) mit Husten und Klatschen einen unfeierlichen Abgang.

Sänger - Schauspieler

Die Diskussion, ob Opernsänger oder Sing-Schauspieler Operette machen sollen, wird hinfällig, wenn in einer Produktion genau ein Tenor die Erwartungen erfüllt. In diesem Fall war das Marlin Miller als Camille de Rosillon, der seinen strahlenden Tenor mit großen sicheren Linien in die Höhe des Operettenhimmels führte und dem Abend die einzigen Glanzpunkte aufsetzte.

Reinhard Alessandri als Graf Danilo überzeugte zwar mit Charisma und darstellerischer Präsenz, konnte sich stimmlich aber nicht gegen das ruppig streichende und blasende Orchester (Leitung Marius Burkert) durchsetzen.Miriam Portmann bewältigt den Notentext. Diese Hanna Glawari gibt sich als Grande Dame. Sie erinnert eher an eine Marschallin, denn an eine lebenslustige junge Witwe. Musikalischer und darstellerischer Tiefpunkt ist sinnigerweise im Untergeschoß des Maxim. Valencienne (Ulrike Pichler-Steffen) tanzt auf dem Tisch, sie und die Grisetten piepsen wie ein Mädchenchor.

Von Ulrike Beimpolds Regie ist nicht viel zu spüren. Sie hat den schauspielerischen Slapstik im kleinen Finger, sie arrangiert Szene um Szene, es fehlt im Detail nicht an Fantasie. Von Idee zum Werk als Ganzem nicht die Spur. Und so frettet man sich von einem Durchhänger zum nächsten.

Konventionelle Figur

Es gibt durchaus liebenswürdige Typen im Ensemble: vom Kanzlisten Njegus eines Wolfang Dosch, über den Kromov von Karl Herbst, bis zum Gesandten Baron Zeta eines Rupert Bergmann. Man hätte etwas anfangen können mit solchen Charismatikern, sie müssten nicht zu schrullig-konventionellen Figuren verkommen.(Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, Printausgabe vom 10.7.2006)