Salzburg - Statt eines Eröffnungsredners gab es ein Symposion; die traditionelle Eröffnung fand aber statt - im neuen Haus für Mozart. "In der Kunst erleben wir Glücksmomente, wo der Alltag überwunden wird", meinte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Er bedankte sich nicht nur bei den Festivalverantwortlichen, sondern auch bei der Salzburger Bevölkerung.

Ein Bekenntnis zur Toleranz, zum Humanismus, zum Experiment und den Menschenrechten sei ihm auch bei dieser Festspieleröffnung sehr wichtig, betonte Bundespräsident Heinz Fischer. Gerade in diesen Tagen "feiern Menschenrechte und Frieden nicht gerade Triumph". Er sei zutiefst betroffen über die Vorgänge im Nahen Osten. "Stoppt den Terror, die Raketen und das Töten, gebt Verhandlungen eine Chance", verlangte Fischer.

Beim Symposion am Samstag etwas Kritik: "Ich scheine als Alibi für eine Scheinwiedergutmachung eingeladen worden zu sein: Ich soll über Visionen sprechen, die letzten Endes ohnehin nicht realisiert werden dürfen, da die künstlerische Freiheit einfach von vornherein beschnitten wird", sagte Olga Neuwirth bei "Die Festspiele - Visionen, Wünsche, Wirklichkeit". Sie sei selbst, als "Komponist, der seine Visionen nicht realisieren durfte", ein Spiegel, der die Zustände eines Betriebes wiedergebe, sagte Neuwirth, die für die Festspiele ein Musiktheater schreiben sollte, aber ausgeladen wurde.

Die "Festspiele im Spiegel des Künstlers" betrachteten neben Neuwirth auch der Dirigent Daniel Barenboim. "Die Undeutlichkeit im Unterschied von Inhalt und Wahrnehmung"sei eine der Gefahren für den Festivalbetrieb, sagte dieser. "Vor lauter Nachdenken darüber, wie etwas ankommt, entfernen wir uns von den Inhalten. Man muss sich darauf einlassen, wie die Geschichte erzählt wird."

Barenboim zog eine Parallele zum Nahen Nahost: Es gebe die Erzählung "Israel braucht einen Staat". Er stehe zu diesem Staat Israel, betonte er. "Aber es ist unsere Pflicht, auch die arabische Erzählung zu hören, die sagt: 'Vielleicht gibt es einen religiösen, politischen Grund für euch Juden hier zu leben - aber das Land war nicht mehr leer.'Auch hier beschäftigen wir uns mit der Wahrnehmung und nicht mit dem Inhalt."Die Auseinandersetzung nicht nur mit ästhetischen, sondern auch mit Politfragen könnte Festivals bereichern.

Eleonore Büning, Musikredakteurin der FAZ, meinte: Das Verhältnis zwischen Festspielen und Medien sei "zwar ein libidinöses, aber auch leicht neurotisch". Man brauche einander, gehe einander aber auch auf die Nerven. Und Kritiker meckerten zwar über "Konzeptlosigkeit und Programm-Austauschbarkeit". Trotzdem würden sie diesen "gemütswärmenden Faktor eines Klassentreffens"der Kritiker genießen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2006)