Foto: Matthias Cremer
"Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und säte es auf seinem Acker", steht schon in der Bibel (Matthäus 13,31). Doch es findet sich leider weit und breit kein Hinweis auf den Geschmack - Grund genug also für einen Standard-Test.

Senf ist ein unscheinbar blühendes Wildkraut, das ursprünglich am Mittelmeer beheimatet ist. Botanisch ist Senf ein Kreuzblütler und mit Raps, Rettich und Kresse verwand. Bereits die Ägypter und Griechen nutzten Senf für das Konservieren von Fleisch. Vom Grillen war da aber noch keine Rede. Die Römer entdeckten den Senf dann endlich als Würzpflanze. "Ein aus dem 4. Jahrhundert stammendes Rezept eines Römers namens Paladius erinnert bereits an die heutige Zusammensetzung: Er fügte zur gemahlenen Senfsaat Honig, Olivenöl und Essig", erläutert Ruth Breuer, Tochter des deutschen "Senfpapstes"Guido Breuer aus Monschau.

Bei uns taucht der Senf erstmals in einer Schrift Karls des Großen im Jahre 795 n.Chr. auf. Darin wird das Anlegen von Kräutergärten und der Senfanbau angeordnet. "Heimisch wurde der Senf etwa im 10. Jahrhundert, zuerst in Deutschland und Frankreich, die britische Kochkunst erreichte er im 12. Jahrhundert", erzählt Ruth Breuer, die Limonen-, Orangen-, Tomaten-, Johannisbeersenf, Honig mit Mohnsenf und viele andere Sorten in der Manufaktur herstellt.

Die Senf-Herstellung, so die "Senfprinzessin", funktioniert folgendermaßen: Die gereinigten Senfkörner werden zuerst zwischen Walzen geschrotet und meist anschließend entölt. Dann wird der Schrot mit den übrigen Zutaten vermischt und der entstandenen Maische Zeit zum Fermentieren gegeben - dadurch entsteht das typische Aroma. Anschließend wird der Brei, je nach Sorte, zu einer mehr oder weniger glatten Paste vermahlen. Dabei darf die Temperatur 50 Grad Celsius nicht übersteigen, um die ätherischen Öle zu erhalten. Schließlich reift der Tafelsenf bei anspruchsvollen Herstellern noch einige Zeit, bevor er abgefüllt wird. Auch bei sofort abgefülltem Senf entwickelt sich der Geschmack noch im Glas oder in der Tube. Die Großindustrie stellt so 20 bis 30 Tonnen pro Tag her.

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Die Kriterien

Getestet wurde ausschließlich Senf der in Österreich gebräuchlichsten Sorte Estragon - sie findet ebenso Verwendung als Begleiter des "Burenhäutls"am Würstelstand wie zum Paar gekochter Frankfurter und ist auch beim Grillen pur oder mit Zwiebeln vermischt beliebt. Ein Team von Testern - vier Kinder und vier Erwachsene, allesamt keine Senf-Experten, aber begeisterte -Konsumenten - bewerteten Konsistenz, Geschmack und Geruch der in Tuben abgefüllten Testkandidaten. Explizit nicht getestet wurden Gourmetsenfs, die nur in Feinkostläden erhältlich sind.

Die Farbschattierungen der diversen Senfs - meist ein mittlerer Braunton, nicht das klassische Senfgelb wie beim Dijon - unterscheiden sich kaum voneinander; wo es einen deutlichen Unterschied gab, wurde er hervorgehoben. Drei Testrunden - mit Brot, dann mit Brot und Knackwurst, schließlich auch pur (die umgekehrte Reihenfolge hätte die Geschmackspapillen vom Senfgeschmack überlagert) - wurden durchgeführt; maximal konnten zehn Punkte erreicht werden. Erfreulich: Keine einzige Sorte war beim Öffnen wässrig, was ein Zeichen von zu langer Lagerung, aber auch schlechter Verarbeitung oder der Zugabe von zu viel Wasser wäre.

>>>Die Ergebnisse

Die Ergebnisse

Winarom Delikatessen Senf mittelscharf, 214g, 0,35 Euro (Lidl)

Klarer Testsieger. Der Geruch des hellgelben Senfs ist mäßig säuerlich und ansprechend. Das irgendwo in der EU hergestellte Produkt (keine klare Angabe) quillt fest aus der Tube, kein Quäntchen Essig oder gar Wasser ist zu sehen. Er verwöhnt den Gaumen mit einer etwas schärflichen, aber nicht unangenehmen Note und erinnert ganz leicht an Dijon-Senf. Dazu mag auch die Verwendung von Branntweinessig bei der Herstellung beigetragen haben. Ein zusätzliches Plus ist der Preis, weil die anderen Tuben zu diesem Preis nur 200 Gramm enthalten. 10 Punkte

Delique das Original, 200 g, 0,35 Euro (Zielpunkt)

Bei der Nummer zwei unserer Wertung wird von einer Testerin gleich zu Beginn das "angenehme "Aus-der-Tube-drück-Gefühl"hervorgehoben - es kommt also auch beim Senf auf die Haptik an (eine Herausforderung für Tubendesigner). Der Geruch nach Weinessig steigt unaufdringlich ins Näschen. Der Geschmack des beige-hellgelben Senfs ist dezent, der Abgang zwar ein wenig bitter, doch stellt sich eine massive Verbesserung bei der Verkostung mit Brot und Wurst heraus: Hier ist der dominierende Ton dann leicht süßlich. 9,0 Punkte

Lomee Estragon Senf, 200 g, 0,35 Euro (Hofer)

Der auch in Osteuropa vertriebene Senf aus österreichischer Erzeugung ist der flüssigste im Test. Er gefällt mit einer angenehmen Weinessignote und schmeckt im ersten Augenblick fast schon fruchtig, reißt im Geschmack aber leider rasch ab, was einen Punkteabzug brachte (und wahrscheinlich den Sieg kostete). Die dann flache Note wird zwar kritisiert, aber doch positiv ("nicht zu sauer") vermerkt. Der Geruch ist bei diesem Kandidaten nur schwach wahrnehmbar; "er riecht am wenigsten von allen", meinte ein Tester. 7,2 Punkte

Delikatessa Estragon Senf, 200g, 0,35 Euro (Penny)

Der mit Tafelessig gefertigte Senf unbekannter Provenienz rangiert im Mittelfeld der Testkandidaten. Zwar überzeugt die fruchtig-süßliche, nicht scharfe, im Abgang leicht herbe Note, aber in Verbindung mit Wurst erweist sich dieser Senf leider etwas geschmacksschwach. Der "nicht stechende Geruch"und die "nicht zu säuerliche Note"sowie der Umstand, dass er auch bei sommerlichen Temperaturen kompakt blieb und nicht zerrann, stechen aber deutlich positiv hervor. 6,2 Punkte

Spar Estragon Senf würzig-scharf, 200g, 0,35 Euro (Spar)

Der Senf aus Österreich stößt den Testern als zu sauer auf. Auch der Geruch nach Essig tritt für die Mehrheit der Tester zu stark hervor. "Nur sauer, sonst fad", moniert ein testender Youngster; "zu aufdringlich"stellt seine Mutter lapidar fest. Als Begleiter von Brot und Wurst schmeckt der von Weinessig dominierte Testkandidat allerdings deutlich angenehmer. Positiv vermerkt wird auch der Umstand, dass der Senf hitzeresistent ist und sich daher nicht verflüssigt. 5,3 Punkte

Mautner Markhof Estragon Senf, 200g, 0,99 Euro (Zielpunkt)

Das nach Eigenangaben "würzig-scharfe Original"ist ein Stück österreichischer Geschichte und Esskultur: "Laut den jüngsten ACNielsen-Daten entfallen 87,6 Prozent der Ausgaben für Estragon-Senf auf Mautner Markhof", vermeldet die dortige Marketingabteilung. Diese Marktführerschaft beweist allerdings auch, dass man über Geschmack nicht streiten kann, denn im Standard-Test schnitt der mit Weingeistessig produzierte Senf weniger gut gut ab. Mit Bewertungen wie "der Geschmack verflüchtigt sich schnell"oder "schmiegt sich nicht an die Wurst an"und einem Geruch, der Testern zu essighaltig war, hielten sich die Begeisterungsstürme in Grenzen. 4,7 Punkte (Der Standard, Printausgabe 29./30.7.2006)