Quotenregelung 'rettet' Österreicher" titelte der Standard, die deutschen Kandidaten seien klüger, mutmaßte der Kurier, und die Financial Times Deutschland spottete gar, das Ergebnis sei für die Ösis besonders peinlich, da es sich um einen Intelligenz- und nicht einen Wissenstest handle.

Auf den ersten Blick könnte man das Ergebnis des Eignungstests für österreichische Medizinunis (bei etwas bösem Willen) tatsächlich zu ungunsten der österreichischen Maturanten auslegen - immerhin hätte eine erkleckliche Zahl von Maturanten ohne Quotenregelung schlicht keinen Studienplatz bekommen. Auf den zweiten Blick ist der Schluss, die österreichischen Maturanten könnten den deutschen Kollegen mit Abitur nicht das Wasser reichen, mit nichts zu belegen. Mehr noch: Er ist schlicht falsch.

Insgesamt 3685 junge Menschen sind zu den Tests angetreten, um einen der begehrten 1140 Studienplätze an den Medizinunis in Wien und Innsbruck zu ergattern. Einer von drei kommt durch, das war die Ausgangssituation.

An der Medizinuni Wien traten rund 30 Prozent Deutsche an, knapp 65 Prozent waren Österreicher. Nach Innsbruck reisten sogar knapp 60 Prozent Deutsche, nur etwa jeder vierte Prüfling war Österreicher. Ohne Quote (75 % der Plätze, das hat Bildungsministerin Gehrer schon im Vorhinein festgelegt, bekommen Österreicher) wären in Wien rund 60 Prozent der Plätze an Österreicher gegangen, in Innsbruck nur etwa 30. Das entspricht, sehr grob gerechnet, in etwa der Verteilung, die sich aufgrund der jeweiligen Anteile von Österreichern und Deutschen ergibt. Also selbst wenn man davon ausginge, dass die Gruppen an österreichischen und deutschen Studenten sich vergleichbar zusammensetzen, ließe sich angesichts der Verteilung ein Intelligenznachteil schon wegen der statistischen Schwankungsbreite nicht mehr schlüssig argumentieren, zumal sich Österreicher und Deutsche zu gleichen Anteilen die ersten 30 Plätze teilen.

Umkehrschluss

Die Grundkonstellationen sind aber alles andere als vergleichbar: Während sich in Österreich der Maturajahrgang der Prüfung stellen muss (ältere Semester sind ja in den vergangenen Jahren ohne Quote aufgenommen worden) so setzt sich die Gruppe der deutschen Anwärter auf ein österreichisches Medizinstudium aus unterschiedlichen Jahrgängen zusammen. Dabei drängen vor allem junge Deutsche, die Numerus-clausus-Hürde (liegt je nach Schule bei einem Notenschnitt von etwa 1,1 bis 1,4) gerade nicht geschafft haben, aber dennoch unbedingt Medizin studieren sollen. Viele haben sich intensiv und gezielt auf die Prüfung vorbereitet. Außerdem, so lautet die Einschätzung der Experten, haben junge Menschen im Alter zwischen 23 und 25 die größten Erfolgsaussichten bei so einem Test (wurde eigentlich je das Durchschnittsalter der österreichischen und deutschen Prüflinge erhoben?).

Dass auch noch Kosten und Mühen für eine teilweise lange Anreise, die Hemmschwelle für den Prüfungsantritt bei deutschen Schülern mit schlechteren Noten nach oben schrauben (im Gegensatz zu den Österreichern, die sich wohl zumindest vereinzelt auch aus Neugier und weniger aufgrund besonders guter Noten zum Aufnahmetest angemeldet haben, wie etwa ein junger profil-Redakteur, der seine Erfahrungen in einer Reportage zu Papier gebracht hat), könnte einen (bei etwas bösem Willen) geradezu zum Umkehrschluss bei der Intelligenzverteilung leiten.

Für so einen Umkehrschluss sprechen übrigens auch die an der Medizinuni Graz gemachten Erfahrungen bei Reihungstests im Jänner nach einem vergangenen Herbst abgehaltenen "virtuellen Semester". Dort sind insgesamt 992 Studierende angetreten - davon 518 Deutsche und 427 Österreicher. Unter den 100 Erstgereihten waren 57 Österreicher, 40 aus Deutschland und drei aus anderen Ländern.

Und noch etwas fällt auf: Von den zu den Prüfungen in Wien und Innsbruck angetreten europäischem Maturanten, für die 20 Prozent der Studienplätze reserviert sind, waren 96 Prozent Deutsche. Aber nur 74 % dieser Studienplätze sind an Deutsche gegangen. Welchen Schluss deutsche Zeitungen daraus gezogen haben, ist nicht bekannt. (DER STANDARD Printausgabe, 4. August 2006)