Zurück auf Los. Frauen erzählen aus der Arbeitslosigkeit.
239 Seiten, Euro 19,80
ISBN: 3-934920934
zuKlampen! Verlag
erscheint im September 2006
Cover: zurklampen
Arbeitslosigkeit, vor allem wenn sie länger dauert, verlangt die "Korrektur des eigenen Blickes". Eines Blickes, der die eigene Leistung und den Einsatz als Garant für das berufliche Fortkommen begreift, eines Blickes, der Arbeitslosigkeit bisher nur bei den "Faulen" und "Unflexiblen" vermutete. In ihrem Buch "Zurück auf Los" hat die MDR-Journalistin Claudia Hempel 13 arbeitslose Akademikerinnen interviewt, die sich eingestehen müssen: "Es kann alle treffen".

In narrativen Interviews erzählen die Frauen von ihren Berufs- und Lebensgeschichten. Manche sind bereits seit mehreren Jahren ohne Job, andere haben ihre Arbeit vor kurzem verloren oder nach dem Studium erst gar keine passende gefunden. Die 47-jährige Christiane R. beispielsweise ist kinderlos geblieben, um in ihrem Job als Art Direktorin voranzukommen. Als Frau müsse man sich irgendwann entscheiden: "Was ist mir eigentlich wichtiger, Beruf oder Familie?" Doch die Kritik an den gesellschaftlichen Strukturen bleibt nicht ungebrochen. Schließlich seien die Frauen auch selber schuld, dass "sie nicht so richtig vorwärts kommen im Beruf". Es würde ihnen an Mut und Engagement fehlen, lautet die Analyse der fast 50-Jährigen.

Männer- oder Frauendomäne

Auch im Fall der Maschinenbauingenieurin Grete Z. war es nicht anders: Ihr berufliches Engagement wollte sie für eine eigene Familie nicht zurückhalten. Die 49-Jährige galt als Einzelfall in ihrer Branche: "Eine Frau zwischen so vielen Männern soll erst einmal bescheiden sein."

Dass die Feminisierung ganzer Berufszweige im Gegenzug auch nicht das Gelbe vom Ei ist, musste die 27-jährige Diplompädagogin Marlene N. erfahren. Ihre Bewerbungen wurden regelmäßig mit der Begründung abgelehnt, dass sie die Stelle lieber mit einem Mann besetzen würden. Aus pädagogischer Sicht ist das verständlich. Bei einem weiblichen Geschlechteranteil von 85 Prozent in der Studienrichtung werden die Chancen für die Mehrheit der AbsolventInnen jedoch dramatisch geringer. Ihre nüchterne Ausflucht: "Ich schreibe keine Bewerbungen mehr, ich werde jetzt schwanger".

Wählen müssen

In den Gesprächen mit den jüngeren Frauen lässt sich herauslesen, dass sie im Vergleich zu ihren älteren Geschlechtsgenossinnen mehr Rücksicht auf die Partnerschaft und die potentielle Familiengründung nehmen. Ins Gewicht fällt hier wohl die zur Gewissheit gewordene Ansicht, dass Frauen nicht beides haben können: Karriere und Familie. Angesichts der unsicheren Arbeitsmarktverhältnisse fällt die Wahl dann wohl eher auf das vermeintlich stabile Privatleben.

Der Kampf mit dem Arbeitsamt, mit dem angekratzten Selbstbild und mit dem Umfeld, das nicht immer verständnisvoll auf die neue Situation reagiert, wird in "Zurück auf Los" eindrucksvoll beschrieben. Die Gespräche lesen sich wie Porträts von Frauen, die auch immer aus der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Positionen heraus sprechen und urteilen. Grete Z. weiß nach ihrer Odyssee auf dem freien Arbeitsmarkt jedenfalls: "Eines der Geheimnisse des Lebens ist: Man muss auch wieder neu anfangen können."

Unergründliche Wege

Gut ist es, dass die Frauen im Nachspann noch einmal zu Wort kommen. So wird einiges von dem sich im Buch entfaltendem depremierenden Stimmungsbild relativiert. Autorin Hempel hat die Interview-Partnerinnen kurz vor Erscheinen des Buches ein weiteres Mal befragt, wie es ihnen inzwischen ergangen ist: Nicht alle konnten eine Arbeit finden, viele haben aber ihre Lebensumstände etwa durch Umzüge oder die Pflege neuer Interessen verändert. Und Marlene N., die der mühsamen Arbeitssuche ja mit einer Schwangerschaft zu entkommen versuchte, hat nicht trotz, sondern gerade durch ihre Mutterschaft einen neuen Job gefunden. Die Wege durch den Arbeitsmarkt sind eben doch unergründlich. (freu)