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In der Theaterfabrik von Deschamps/Makeieff bahnt man notwendige Ruhephasen lieber gleich vor der Arbeit an.

Foto: APA:/Marc ENGUERAND
Hallein - Weil uns die Stückeschreiber - mit bedeutsamen Ausnahmen wie Kathrin Rögg-la - ihre Beobachtungen zum schleichenden Verfall der Lohnarbeit, zum Freisetzungselend ehemals glücklicher Vollbeschäftigter beharrlich vorenthalten, suchen die Salzburger Festspiele eben anderweitig Rat. Sie laden sich Gaukler ein, die Truppe des Pariser Paars Jérome Des-champs und Macha Makeieff: skurrile Bewegungsartisten, die in der Salinenhalle der Perner-Insel die Stellschrauben der Repression noch einmal nach Herzenslust lockern dürfen.

Einen Arbeitstag der Ètourdis - zu Deutsch: der Zerstreuten - muss man sich als zauberhaftes Bekenntnis zum Spontanmanagement betrieblich anfallender Unsinnigkeiten, unter besonderer Berücksichtigung straßenmusikalischer Ruhephasen, vorstellen.

Dackeldamenmischling

Im saalgroßen Linoleumbüro eines Fabrikherren im Synthetiksakko (Patrice Thibaud) herrscht ein hermetisch schnurrender Produktionsdauerstillstand! Figuren mit den aschgrauen Mienen zahnloser Bleistiftspitzer trinken sich, noch ehe die Werksirene sie überhaupt an die Werkbank hätte rufen können, mit Teegläsern ein schüchternes Prösterchen zu. Ein reizender Dackeldamenmischling dient offenbar zur Aufhellung der von der Arbeitsfron vorschnell verfinsterten Gemüter.

Und dann natürlich der Chef selbst (Thibaud): Mit der Statur eines kaum mittelalten Fritz Erhardt bezieht er den viel zu großen Schreibtisch, an dem er (naturgemäß mechanische) Schreibmaschinen aus Luft mit dem Buffo-Elan eines Zirkuskonzipienten beackert. Er legt den mimischen Eifer eines Louis de Funes an den Tag, wenn er einer mächtig ausladenden Chanteuse im Leopardenröckchen den Sitz der Gurgel verdeutlicht oder seinen doch arg feierabendlichen Leib an ein Pumpventil anschließt, um mit leidvoll geschwollenen Backen in einen Stupor der Hilflosigkeit zu verfallen.

Agfacolor-Komik

Derlei Lustbarkeiten kitzeln sehr nachvollziehbar die Lachmuskeln der zum Amüsement wild entschlossenen Festspielgesellschaft.

Sie wirken nur wie aus einem (nunmehr um den armen Pluto betrogenen) Komödienuniversum in Agfacolor abgepaust. Sie erklären das Feld der Lohnarbeit kurzerhand zur Blödelzone, und sie verquicken die Nöte derer, die sich ihrer Zurichtung durch anonyme Kräfte nicht anders zu erwehren wissen als durch Ticks, durch die Ausbildung "abnormer" Rituale, mit der Begütigung durch Einsichten wie diese: der Bandscheibenvorfall eines fettleibigen Kistenträgers? Soll einem korpulenten Pedell oder Hauswart nur nichts Schlimmeres passieren.

Betriebsbote

Von ähnlicher Machart sind die tausend Tücken der Objekte - Pappkartonschachteln, in denen kaum miniaturgro- ße Quetschkommodenspieler wie in einem bodenlosen Brunnen verschwinden. Schachteln, die unter Zuhilfenahme eines Schrubbers wie Curling-Stöcke über den Plastikboden jagen.

Und so ruht eine im weitesten Sinne politisch zu nennende Geistesgegenwart einer ansonsten bedenkenlos kleinkindergerechten Sketch-Installation höchstens in lässlichen Details. Ein mit verbeulten Benzinkanistern klappernder Betriebsbote mutiert auf wundersame Weise zu einem Unflat kauenden Maghrebbewohner, mit dem sich der Herr Chef auf sehr ungezogene Weise auf Rededuelle einlässt.

Unterdrückungsleistungen

Hier irrlichtert endlich so etwas wie eine Irritation durch die zufrieden vor sich hin schnurrende Pantomimenfabrik: Wäre der innerbetriebliche Friede gar durch ein paar hässliche Unterdrückungsleistungen schnöde erkauft? Beruht die Harmonie zwischen quietschvergnügten Wenig-Dienstleistern auf einer Illusion? Es wäre die überzeugendste. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.8.2006)