Agnes versucht, anständig zu bleiben.

Foto: Ensemble Theater/ Neubauer
Das ist das Horváth'sche Mädel: ein mittelloses Opfer, bis aufs Letzte ausgebeutet von den Männern. Und trotzdem versucht es, irgendwie noch anständig zu bleiben. Das Fräulein Pollinger , eine Bühnendramatisierung von Traugott Krischke nach Ödön von Horváths erstem Roman "Sechsunddreißig Stunden", setzt den spröden Ton der Vorlage fort, mit dem jegliche Illusionen genommen werden. Agnes, arbeitslose Näherin, irrt durch falsche Versprechungen, hechtet immer neuen Anreizen nach. Der Untermieter Kastner, der einen florierenden Handel mit pornografischen Fotos betreibt, lockt sie mit der Chance, dort Männer mit "eigenen Autos" zu treffen, als Aktmodell ins Atelier. Harry entführt sie mit einem gut investierten Schnitzel zum "Ausflug ins Grüne". Dass Agnes letztlich Eugen, der ihr tatsächlich helfen würde, nicht mehr glaubt, ist ihr nicht zu verübeln. Die Darsteller (Karin Fenböck, Christian Graf) zeigen in der Regie Dieter Haspels eine solide Leistung und geben sich großartig einem teils unerträglich entlarvenden Zynismus hin. (ih/DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2006)