"Schmeck's" ist keine professionelle Lokalkritik. Harald Fidler und Freunde schildern hier ihre Erlebnisse beim Essen und Trinken. Als Dilettanten im Wortsinn: Laien, Amateure, Nichtfachleute, die eine Sache um ihrer selbst willen ausüben - also zum reinen Vergnügen. Was nicht immer gelingt.

Foto: Jürgen Skarwan
Den Fehler macht man nur einmal, bestätigt auch der große Esser R.: Ein Mehrgänger bei den Jeitlers im ziemlich überschaubaren Oberschlatten bei Bromberg verträgt sich einfach nicht mit der Rückreise nach Wien am selben Abend. Übrigens ebenso wenig mit einer Übernachtung samt Serpentinbadewanne in der sonst ja sehr gediegenen Burg Bernstein, die nur auf der Österreichkarte im Oberstufenatlas aussieht, als läge sie gleich ums Eck. Tatsächlich fährt man ziemlich lang Serpentinen durch finsterste Nacht, bis man den riesigen Schlüssel im Torschloss der Burg drehen kann.

Und selbst das Sommerhaus der Tante in Pitten bei Seebenstein ist definitiv um ein paar recht gemein durch das Tal gelegte Kurven zu weit. Nach Jeitler machen die selbst Motorradfahrern keine rechte Freude mehr.

Guten Morgen, Oberschlatten!

Also: Hinfahren in der Gewissheit, dass man in einem der drei angenehmen Gästezimmer einen Platz für die Nacht gefunden hat, tunlichst in jenem mit dem Whirlpool. Die Nacht an Ort und Stelle erleichtert auch den Start in den nächsten Tag beträchtlich: Frühstück mit Schinken und Käse, einer leicht geräucherten Bachforelle auf gestampften Erdäpfeln und Currysauce mit ein bisschen Wasabikaviar, Eierspeis mit Kernöl und eine Minibuchtel, köstlich für all jene, die Süßes mögen. Wem das als Kickstarter für weitere Abenteuer – zum Beispiel einen Abend im formidablen Kreuzwirt, aber dazu ein andermal – noch nicht reicht, der freut sich über das beigestellte Glas Champagner.

240 Euro kostet das „Best of Jeitler“-Schlemmprogramm für zwei Personen samt Übernachtung und Siebengänger am Vorabend. Womit wir endlich den wichtigsten Punkt erreichen. Bei aller Freude über Whirlpool und Frühstück: Dafür alleine wären wir wahrscheinlich nicht in die etwas abgelegene Gegend getourt, wenngleich man dort ebenso formidabel wandern kann.

Trennkost

Noch ein Pluspunkt vorweg: Fleischfresser und -verweigerer mit Sinn für Fisch etwa können sich problemlos gemeinsam durch Oberschlatten essen. Kein Problem, „Best of Jeitler“ einmal fleischlos zu bekommen, einmal mit.

Das funktioniert beileibe nicht in jedem vernünftigen Versorgungsbetrieb – man denke an das Überraschungsmenü beim sonst großartigen Leonard Czernko im Kloster Und oder an das wunderbare Wirtshaus Schöneck in Pfalzens/Südtirol. Dort müssen beide das Gleiche essen, wollen sie ein Menü.

Rehtartare!

Jetzt aber los: Leicht geräucherte Forelle, (für Fleischfreunde) Ochsenragout mit Steinpilz und Räucheraalsuppe grüßen aus der Küche. Da grüßt man erfreut zurück. Gewürzlachs mit vorweihnachtlichen Anklängen, Senfsauce und Lachsroulade, Ziegenkäse gebacken auf Salat beziehungsweise ein Ring aus Gänseleberterrine in Baumkuchenmantel. Ausnahmsweise macht daran nicht die (ja, ich geb’s zu) Gänseleber die größte Freude. Umringt von der Terrine: Rehtatar! (in meinen Kostnotizen: REHTARTARE!, laut Duden ohne erstes R, sagt unser Korrektorat - danke Florian für den Hinweis mit dem zweiten R :)).

Bambis eigentliche Berufung, ohne Zweifel. In der Disney-Version treibt das Tier Kindern wie Erwachsenen Tränen der Rührung in die Augen, in jener von Gerald Jeitler solche der Freude. Mit dieser Reaktion dürfte ich nicht alleine sein.

Lammbeuschel

Was kann da noch kommen? Maronisuppe mit (bzw. ohne) Wachtelröllchen, Seeteufel in Trompetenpilz-Brotmantel, Currykraut. Lammbeuschel mit einem panierten Stückchen Räucheraal beziehungsweise Flusskrebse, frei von allzu hartnäckig im Mundraum haftendem Sudaroma. Ein kross gebratenes Welsfilet beziehungsweise Hirschkalb, nach dem Beuschel fast ein wenig zu zart im Geschmack. Aber wie der Rest des Jeitlerschen Programms sehr, sehr fein. Rotschmiere ging noch, Dessert fand einfach keinen Platz mehr. Ist ohnehin nicht so meines.

Die preislich austarierte, geschmacklich hervorragende Weinbegleitung übernimmt Marc Auwärter, seit wenigen Monaten von Dieter Dorner aus dem Ennstal in die Bucklige Welt übersiedelt. Besonders spannend, wenn der Mann kurz davor in seiner deutschen Heimat war und deshalb ein paar Rieslinge und Lemberger Auslese (Zweigelt) mehr zur Hand hat.

Immer wieder montags – oder doch donnerstags?

Natürlich ist „Best of Jeitler“ nicht neu. Aber viel zu selten genutzt, wie mir gerade wieder schmerzlich auffiel. Und „Geralds Donnerstag“ (sieben Gänge wie das Rehtartar oder Filet vom Jungrind mit Ochsenschleppkruste für mehr als schlanke 46 Euro) habe ich schon seit viel zu vielen Monaten Woche für Woche versäumt. „Bits of Jeitler“ am Montagabend (bis zu acht Gänge plus zwei Gläser Wein um geradezu unanständig günstige 23 Euro), die wöchentlich letzte Chance vor Jeitlers Ruhetagen, sogar seit Jahren.

Ein unhaltbarer Zustand. Wie viele Rehe, Beuschel und Ochsen ich da verpasst habe, will ich mir gar nicht ausrechnen.

PS: Den eleganten Titel dieser Geschichte verdanke ich übrigens einer Vegetarierin.