Ab 70 Prozent Kakaoanteil wird die süße Sünde erst richtig interessant, weiß Evelyn Steinthaler.

Foto: Der Standard/Matthias Cremer

Milchschokolade mag weltweit den Markt beherrschen, doch der Ursprung der Schokoladen ist ein bitterer. 1528 brachte Hernan Cortéz Kakaobohnen und notwendige Utensilien zur Herstellung von Trinkschokolade an den Hof Kaiser Karls V. - damit begann ihr Siegeszug in Europa. "Nach spanischer Art" hieß die erste in fester Form produzierte Schokolade, die 1674 vom Londoner Geschäft "Coffee Mill and Tobacco Roll" in Pastillenform verkauft und von den Londonern bald sehr geschätzt wurde. Dem steigenden Preis für Kakaobohnen und dem bald aufkommenden Wunsch nach süßeren Schokoladen entsprechend, wurde 1875 die erste Milchschokolade in der Schweiz produziert.

Erst als 100 Jahre später, Mitte der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts, der Kakaopreis an den internationalen Börsen sank, wurden dunkle Schokoladen von 43 bis 100 Prozent Kakaogehalt international wieder verstärkt produziert. Die neu erstarkte Lust an der bitteren Süße lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass mittlerweile auch Schokohasen und Nikoläuse mit hohem Kakaoanteil in den Regalen stehen. Auch in Verbindung mit süßen Füllungen oder originellen Geschmacksbeigaben - etwa Zwetschken oder Spargel - wird Bitterschokolade zunehmend produziert, wobei die Sinnhaftigkeit infrage gestellt werden darf: Zum einen spielen jegliche Gesundheitsbenefits der hochprozentigen Schokoladen kaum noch eine Rolle, wenn sich rund um eine üppige Marzipanmasse gerade nur eine hauchzarte Bitterschokoladenhülle schmiegt. Und zum anderen werden Bitterschokoladenpuristen es kaum goutieren, wenn eine andere als die gewünschte Geschmacksnuance dominiert.

Gesundheitsfördernd

Der Geschmack ist es aber nicht allein, der immer mehr Süßschnäbel zu Bitterschokolade greifen lässt: Die dunkle Schokoladenseite mag zwar den Zähnen ebenso abträglich sein wie ihre hellere Schwester, doch sie kann eben auch Gesundheitsbenefits vorweisen. Dazu gehören neben dem bekanntermaßen glücklich machenden Serotonin auch Polyphenole, also bestimmte Gerbstoffe, die etwa Rotwein und Grüntee zu gesundheitsfördernden Lebensmitteln machen. Tatsache ist, je höher der Kakaoanteil, desto gesünder die Schokolade, denn Polyphenole fangen aggressive Radikale ab und können unter anderem auch Herzinfarkten vorbeugen.

Das britische Sprichwort "A moment on your lips, a lifetime on your hips" findet bei Bitterschokolade-Aficionados übrigens keine Anwendung, denn dunkle Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil hat einen glykämischen Index von 22 - das bedeutet, dass der Körper wenig Insulin produziert und somit auch kaum Körperfett ansetzen soll.

Der wichtigste Grund, dunkle Schokolade zu naschen, bleibt allerdings der pure, üppige Genuss - schon der botanische Name des verwendeten Kakaos Theobroma cacao verheißt ja Göttliches ...

Die Kriterien

Getestet wurden nur Produkte, die einen Kakaoanteil von mindestens 70 und maximal 80 Prozent aufwiesen, da hier von "echter" Bitterschokolade gesprochen werden kann, der Kakaogeschmack aber noch nicht den Mund auszutrocken droht. Berücksichtigt wurden außerdem nur österreichweit erhältliche Schokoladen; in feinen Fachgeschäften werden noch sehr viel mehr Sorten angeboten. Bewertet wurden vor allem Geschmack, Konsistenz und Trockenheit der Schokoladen. Vorgabe war auch, dass, abgesehen von Kakaobohnen, in der Produktion keine Füllungen oder weiteren Geschmacksstoffe (wie Mandeln oder gar Stutenmilch) den Schokoladen beigefügt werden durften.

Die Ergebnisse

Dolfin de Cacao Noir 70 Prozent
Aux èclats de Féves de Cacao
70 g um Euro 2,29 bei Gourmet Spar

Mit diesem belgischen Schokoladekleinod werden die Gaumen von Schokolade-Aficinados besonders verwöhnt, denn sowohl die Konsistenz als auch der Geschmack entsprechen den Vorstellungen von edler Bitterschokolade. Die außergewöhnliche beige-weiße Verpackung erinnert an Tabaktäschchen und birgt eine 70 Gramm leichte luxuriöse Bitterschokolade. Zwar waren in diesem Test nur Produkte ohne Füllungen zugelassen, aber geröstete Kakaobohnensplitter kann man ja nicht als geschmacksverfälschend bezeichnen, und im vorliegenden Fall verstärken die Splitter den herb-vollmundigen Geschmack. "Das Produkt erinnert daran, dass Schokolade früher ein Luxusartikel war," so eine Testerin. 9,8 Punkte

Lindt Excellence 70 Prozent
Noir Extra Fin, 100 g um Euro 1,69 bei Billa

Der Klassiker aus der Schweiz lässt alle Bitterschokoladeherzen höher schlagen. Hier erwartet uns in der schlichten schwarz-weißen Verpackung keine Überraschung, sondern der ausgewogene Geschmack gediegener Chocolatierarbeit. Bei Lindt scheint alles zu stimmen, denn sowohl herbe Würze als auch die verschiedenen Geschmacksstufen und die Konsistenz rufen helle Begeisterung bei den Testerinnen hervor. Und von unpassender Restsüße ist hier zum Glück keine Rede. 9,1 Punkte

Frey émotion Zartbitter Extra 78 Prozent
100 g um Euro 0,99 bei Gourmet Spar

Auch diese Bitterschokolade aus dem Land der Eidgenossen kann durchaus als gelungen bezeichnet werden. Im eleganten grau-goldenen Karton erwartet uns eine wahre Explosion an Bitterkeit, die schon beim ersten Stück mit genug Schmelz aufwartet. Im Abgang trocknet die Schokolade die Mundschleimhäute leider etwas aus, was von der Mehrheit der Testerinnen nicht positiv bewertet wurde. Insgesamt kann die Schokolade aber hartgesottenen Schokoladefreundinnen empfohlen werden, da man sich mit dieser Kandidatin dank sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis gediegen und ohne Reue bitteren Schokoladegelüsten hingeben kann. 8,8 Punkte

EZA Compañera Noir 72 Prozent
50 g um Euro 0,90 bei Gourmet Spar

Gerade mal 50 Gramm wiegt diese Fair-Trade Schokolade in einer ansprechenden schwarzorangen Verpackung, die trotz des geringen Gewichts einen positiven Eindruck bei unserer Jury hinterlässt. "Vollmundig" und "rund" wird der Geschmack dieses Produkts beschrieben. Vermisst wird allerdings die Fähigkeit der Schokolade, ideal zu schmelzen. Vereinzelt gibt es auch Einwände im Bereich Restsüße, hier wäre weniger eindeutig mehr. Unsere Bitterschokoholics-Jurorinnen vergeben aber für die zertifiziert faire Herstellung einen Extrapunkt und wünschen sich die Compañera mit mehr Gewicht (100 g!). 8,5 Punkte

Moser-Roth Edel Bitter, 70 Prozent
125 g um Euro 0,99 bei Hofer

Zur Freude unserer Jury finden sich fünf einzeln verpackte Täfelchen im eleganten schwarz-bronzenen Karton. "Praktisch, um die kleine Schokolust zu stillen", meint eine Testerin. Ideal ist diese Testkandidatin also für all jene, die gerne in der Handtasche oder im Handschuhfach etwas Bitterschokolade "für Notfälle" dabeihaben wollen. Der Geschmack der deutschen Diskonter-Schokolade scheidet allerdings die Geister: Von "konzentriertem, runden Geschmack" schwärmen die einen, wo andere über "zu wenig Fülle" und "geringes Schmelzvermögen" klagen. Trotzdem überzeugt die praktische Handhabung, und auch das gute Preis-Leistungs-Verhältnis schlägt sich positiv in der Bewertung nieder. 7,8 Punkte

Suchard Sensations 70 Prozent
100 g um Euro 1,49 bei Billa

Aus Belgien stammt die Bitterschokoladenkreation aus dem Hause Suchard. Als Zartbitter extra fein wagt sie mit ihrer für Bitterschokoladen ungewöhnlich großen Restsüße den Brückenschlag zur Milchschokolade. Bei einem Stückchen Schokolade bleibt es hier trotzdem nicht, denn alle Testpersonen können sich des Drangs nicht erwehren, mindestens ein weiteres Stückchen zu probieren - ein Tester unterstreicht gar, dass sich diese Kandidatin "ideal für Schoko-Heißhunger" eignet. Für den wahren Bittergenuss ist diese Schokolade in der dunkelbraun-goldenen Verpackung allerdings zu süß, sie eignet sich vielmehr für Einsteiger. 7,2 Punkte

Hachez Cocoa D'Arriba Classic 77 Prozent
100 g um Euro 1,99 bei Gourmet Spar

Auch diese hochprozentige Testkandidatin stammt aus der Schweiz. Entgegen der Werbung "milde Edelbitterschokolade", fällt sie den Jurorinnen im Standard-Test als "wirklich bitter" auf. Da zu lange geröstete Kakaobohnen generell unangenehm bitter werden und den Geschmack des fertigen Produkts verfälschen, dürfte wohl etwas in dieser Richtung auch bei der im glänzenden, edel-schwarzen Papier angebotenen Bitterschokolade aus dem Hause Hachez passiert sein. Schade, denn das unerwartete, allzu bittere Röstaroma lenkt vom sonst gelungenen, runden Abgang ab. Immerhin versüßt eine einzige Testerin dem Hersteller die bittere Pille des vorletzten Platzes: Sie erfreut sich an der Bitterkeit und hat nun einen neuen Favoriten. 6,5 Punkte

Choco-lina 70 Prozent
125 g um Euro 2,87 bei dm

Ein viel versprechendes Projekt haben sich die Schokolademacher von der Wiener H H Chocolademanufaktur vorgenommen: Sie produzieren Bitterschokolade ohne Kuhmilchanteile, die Allergikern (und allen anderen, die auf Kuhmilch verzichten) beim Stillen allzu großer Schokosehnsucht helfen soll. Leider entspricht das Produkt nicht den Juryvorstellungen einer gediegenen Bitterschokolade, da hier ebenfalls zu viel Restsüße im Spiel ist. Auch der bittere Schokoladeschmelz wird vermisst. Die gelb-goldene Verpackung mit dem Bild eines Schafes wirkt kindlich-verspielt, und dass auch die Schokolade selbst mit Schafabbildungen übersät ist, empfinden die Tester angesichts des nur zweiprozentigen Anteils an Schafmilchpulver als "übertrieben". 5,2 Punkte (Der Standard, Printausgabe 11./12.11/2006)