Eine Akademikerlaufbahn baut nicht mehr zwingend auf die Matura auf. An den FHs beträgt der Anteil der Studierenden ohne diesen Schulabschluss bereits 13 Prozent, womit sie im Vergleich zu den Unis die Nase weit vorn haben.

*****

Eine grundlegende Idee bei der Entwicklung der Fachhochschulen war, beruflich qualifizierte Leute zum Studium zu animieren, berichtet Gerhard Riemer von der Industriellenvereinigung. Dass dies in vielen Fällen hieße, nicht die traditionelle Matura voraussetzen zu können, schien klar.

Franz Daschil von der Fachhochschule Oberösterreich (FHOÖ) bezeichnet dieses Vorhaben als Förderung der "Durchlässigkeit des Bildungssystems", wie dem Fachhochschulführer 2005 zu entnehmen ist. Der Leiter der FHOÖ-Studienberechtigungslehrgänge bezieht sich dabei auf das FH-Studiengesetz, das Bewerber mit "einschlägigen beruflichen Qualifikationen" den Maturanten nahezu gleichstellt.

Als qualifizierend wird der Abschluss einer zumindest dreijährigen berufsbildenden mittleren Schule oder einer dreijährigen Lehre betrachtet. In einem einjährigen, berufsbegleitenden Lehrgang ist zudem das für das anvisierte FH-Studium zielgerichtet erforderliche Zusatzwissen zu erwerben. Obligatorisch sind auch Prüfungen in Mathematik, Deutsch/Kommunikation und Englisch.

Den Anteil von Studierenden, die über diesen Weg an die Fachhochschule kommen, gibt Arbeiterkammer-Expertin Martha Eckl mit knapp 13 Prozent an. Im Gegensatz dazu sei diese Quote im Universitätsbereich sehr gering.

Nebenberuf: Student

Diesem Klientel entsprechend versuchen die Verantwortlichen an den Fachhochschulen, neue Studien möglichst (auch) in berufsbegleitender Form anzubieten;_bereits etablierte werden laufend umgestellt, und belegen die besondere Affinität zum Servicegedanken, der in diesem Bereich vorherrscht.

Der 13-prozentige Anteil Studierender ohne Matura ist freilich gerade in den handwerklichen und technikbezogenen FH-Studien deutlich übertroffen. So gibt Daschil an, dass der Studiengang Automatisierungstechnik am Fachhochschulsstandort Wels "bereits rund 35 Prozent der Studentinnen und Studenten" über diesen zweiten Bildungsweg rekrutiert. Diese würden sich "in weiterer Folge bester Berufsaussichten erfreuen".

Die Chancen im Bewerbungsverfahren seien generell gleich hoch wie bei den Maturierten. Berücksichtigt werden in diesem Fall auch Berufsschulzeugnisse, die Leistungen im Studienbefähigungslehrgang sowie die professionelle Präsentation beim Aufnahmegespräch. Mit generalisierenden Aussagen bezüglich der Stärken und Schwächen dieser Studierendengruppe im Vergleich mit HTL-, AHS- und BHS-Absolventen hält sich Daschil zurück. Es sei sicher vom gewählten Studium abhängig, ob sich im Alltag Hürden oder Vorteile gegenüber den Maturanten auftun.

Wo die berufserprobten Teilnehmer vor allem heraus stechen, seien Faktoren wie Zielstrebigkeit, Leistungs- und Teamfähigkeit sowie die allgemeine Belastbarkeit. Umgekehrt nehmen sie theoretische Ansätze schwerer an, und bei der Frage der Allgemeinbildung hinken sie den Kolleginnen und Kollegen mit Matura in der Regel nach.

Spätestens nach Abschluss des Studiums – egal ob Bakkalaureat oder Master – relativieren sich diese Gegensätze jedoch, und die Absolventen befinden sich auf einer fachlichen Ebene. So ist auch Daschil überzeugt, dass "die vermeintliche Kluft bei späteren beruflichen Karrieren völlig verschwindet". (Bernhard Madlener, Julia Grillmayr/DER STANDARD Printausgabe, 25./26.November)