Ein bissl Berlin, eine Prise Paris und richtig gutes Essen aus der winzigen, offenen Küche von Melanie Branschädel: Mit dem "Roten Elefanten" ist Betreiber Harald Heinzl ein erfreuliches Café-Restaurant neuer Prägung gelungen

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fotos: Gerhard Wasserbauer

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So grau und glanzlos, wie sich die Gumpendorfer Straße noch vor wenigen Jahren stadtauswärts wand, so radikal hat sie sich gehäutet – zumindest im vorderen Teil, wo sie der (nicht weniger erfrischenden) Galerienzeile in der Eschenbachgasse entspringt. In den vergangenen Jahren hat hier eine Trendhütte nach der anderen aufgesperrt. Zwar gilt der Abschnitt zwischen Getreidemarkt und Köstlergasse als richtig heißes Pflaster, dennoch drängt sich der Eindruck auf, als ob alles erst im Werden sei. Ist es auch: Neben dem immer noch bestbesuchten Asia-Lokal der Stadt, dem Ra'mien, dessen schwarzrotem Spin-off Shanghai Tan, dem Modebüro Unit F, dem retro-modernistischen Möbelcafé Phil, der Avantgarde-Boutique Die Nachbarin, dem Design-Antiquariat Lichterloh, dem Einrichtungsladen Das Möbel sowie der Lifestyle-Apotheke St. Charles hat soeben ein Lokal aufgesperrt, das zwar nicht auffällig ist, dafür mit umso beachtlicheren inneren Werten glänzt. Das Café-Restaurant "Zum Roten Elefanten" heißt so, weil Betreiber Harald Heinzl ein Faible für Wirtshäuser hat, "die ein Tier im Namen führen – schwarzes Kameel, goldener Esel und so". Heinzl hat lange in richtig feinen Londoner Hotels gearbeitet, zuletzt half er einem Freund, im Pariser Marais eine kleine Brasserie aufzubauen.

Paris ist auch ein Thema im Roten Elefanten, der, auf der "Gumpinger" eine Seltenheit, sogar ein paar Bäume und den Himmel über der Rahlgasse als Visavis hat. Zwar verströmt das Interieur mit edelhölzernem Wandverbau, erbsensuppengrünen Lederbänken, Bugholzstühlen, Kugellampen und einem Boden, der nach dem Entfernen des alten Kunststoffbelags bloß geschliffen und versiegelt wurde, eher Berliner Luft. Dafür sind die Anordnung der kleinen Tische entlang der Wandbänke, die eleganten Wassergläser, das große Pastis-Schild hinter der Bar, die entzückende Tapete im Extrazimmer und die sensationell bescheidenen Preisaufschläge auf Flaschenweine (gibt's ab ¬ 14!) als zweifelsfrei französisch zu werten.

Günstige Tagesteller und saisonales Menü

In der Küche werkt Melanie Branschädel, eine überaus talentierte Heilbronnerin, die bei Gradwohl im Meinl war und zuletzt den Haushalt einer kunst- und partyfreudigen Mäzenatin bekochte. Mittags gibt es günstige Tagesteller, abends ein kompromisslos saisonales Menü, stets mit Veggie-Optionen, das in der winzigen, offenen Küche mit so nonchalanter Finesse exekutiert wird, dass man nicht anders kann, als verblüfft und begeistert zu sein: Lauwarme Kalbsvögerl etwa werden hauchdünn geschnitten, mit toller Vinaigrette unter Verwendung des Bratensaftes mariniert, mit zartbitteren Salatblättern und ein paar Käferbohnen arrangiert, einfach, Spitze! Gansleberparfait ist eigentlich eine gebrannte Creme, toll abgeschmeckt, mit herben Rotweinzwiebeln kontrastiert, die der Leber zusätzliche Nuancen entlocken.

Saiblingsfilet wird sanft pochiert und mit Puy-Linsen kombiniert, deren würziger Sud sich ideal dazu schmiegt – wesentlich cooler als irgendein aufgeschäumtes Sößchen. Dazu sautierte Herbsttrompeten, und man ist kusch und glücklich. Zur gebratenen Ganslbrust gibt es traumhaften, warmen Sauerkrautsalat, der mit fruchtiger Säure wie ein Schwert durch die Fett'n des Fleischsaftes schneidet. Nur die Frischkäsecanneloni schmecken so fad, wie sie klingen, der dazu servierte Radicchio aber ist zu köstlicher Bitternis geschmort. Danach gibt's Vanillekipferleis, das man sich als wohlschmeckende Variante des US-Icecream-Overkills "Cookies & Cream", mit ordentlich mürben Keksen und zurückhaltend gesüßtem Eis, vorstellen darf. So behandelt stellen die Kipferln vielleicht eh die einzig mögliche Art dar, mit dem vorweihnachtlichen Kekswahn umzugehen: sie auf Eis zu legen.

Trotz des tollen Essens insistiert Heinzl, dass sein Elefant ein Café-Restaurant sei – Studenten, die stundenlang über einem Bierhansel diskutieren, sind genauso willkommen wie jene, die sich intensiv bekochen lassen wollen. Zu diesem entspannten Konzept passt auch der köstliche Espresso der römischen Rösterei Danesi, den es hier erstmals in Österreich zu verkosten gibt. (Severin Corti/Der Standard/Rondo/01/12/2006)