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Männer, die von Liebe sprechen: Martin Reinke (Leonato, li.), Joachim Meyerhoff (Benedikt), Nicholas Ofczarek (Prinz Pedro, re.) - Masterminds in Sachen Geschlechterstrategie.

Foto: APA/Schlager
Wien - "Waffen sind Werkzeuge der Trauer", schrieb - nicht Shakespeare, sondern Laotse. Und weiter: "Waffenfreude ist Mordfreude. Wen Mordfreude erfüllt, hat Leben verlassen."

Waffen, Mord und Krieg fehlen zwar auf der heiteren Oberfläche von Viel Lärm um Nichts. Doch nur scheinbar: Die Mordfreude der fröhlichen Kriegsheimkehrer grundiert das zynische Spiel um Gefühle und Begehren, um das zur Hohlformel entleerte Wort "Liebe": Zum Zeitvertreib vor der nächsten Schlacht lieben und werben Claudio und Benedikt, angeführt von Prinz Pedro, um Hero und Beatrice, Tochter und Nichte ihres Gastgebers Leonato. Zum Zeitvertreib ertüfteln sie Intrigen, vernichten um ein Haar die Existenz der umworbenen "Erbin. Alleinerbin" Hero. Der dunkle Strom der Laotse'schen Mordfreude fließt durch die rhetorischen Duelle von Viel Lärm um Nichts. Shakespeares profunde Illusionslosigkeit, die Liebe betreffend, ist bekannt.

Jan Bosses Burgtheater-Inszenierung der 1600 uraufgeführten Komödie, die den groß angelegten Shakespeare-Zyklus am Ring eröffnet, stellt, wie auch der Elisabethaner, zwei pausen- und atemlose Stunden lang den Spaß in den Vordergrund und setzt die bedrohlichen Akzente fast unmerklich: In Zinksärgen erreichen die drei Kriegskumpels, Don Pedro, Claudio und Benedikt, das Landgut Leonatos in Messina - ein derber Spaß.

Das Ferienidyll selbst befindet sich noch im Aufbau: Dutzende Bühnenarbeiter basteln an dem weißen Plastik-Areal, in dem sich die Goldkettchen-Träger mit ihren Damen verlustieren - und erinnern vage an die stummen Opfer, auf denen der Ruhm der Wohlgenährten hockt.

Ein Bild, schnell entschwunden: Der Rest der klug um Nebenhandlungen verschlankten, auf die acht Protagonisten zentrierten Inszenierung (die Übersetzung übrigens scheint basisdemokratisch verlaufen zu sein: "Deutsche Fassung Burgtheater" verzeichnet kryptisch das Programmheft - Ihr dicken Mauern, sprecht!) ist bestes Entertainment eines auf schnell servierte, knochentrockene Pointen eingestimmten Ensembles: Shakespeares Wort-Duelle werden zielsicher aus der Hüfte geschossen - und das in jeder Hinsicht.

Prinz Proll & Co.

Brutalität ist ein Männerwitz. Nicholas Ofczarek (Prinz Pedro), mit dem wohlgerundetsten Bauch und dem goldensten Trainingsanzug Bandenführer im Geiste Proll, Christian Nickel (Claudio) mit Schnurrbart und Schlangenhemd - und schließlich uneinholbar Joachim Meyerhoff als Benedikt, den die Gefühle vom Langhaar-Brother-of-Hell zueinem blondgelockten Anzugträger veredeln. Meyerhoffs Mimik allein gereicht zur abendfüllenden Performance. Der Rest ist Zugabe.

Apropos Locken - den Perückenmachern des Burgtheaters gebühren eigene Lorbeerkränze: Was dort auf den Häuptern der acht Darsteller sprießt und löckt und fettsträhnig hängt, ist von berauschender Grässlichkeit.

So ist unter der Blondchen-Perücke der stummen Hero Dorothee Hartinger kaum auszumachen - ihr Spiel ist in genialer, weil intelligent beobachteter Weise auf die Männerwunscherfüllung nach dem tumben Barbie-Objekt reduziert. Und Beatrice? Ist sie, die von Benedict einst Verlassene, in ihrer treffsicheren Angriffslust Shakespeares große Protagonistin? Merkwürdigerweise gelingt es der wunderbaren Christiane von Poelnitz nicht, sich gegen die Selbstherrlichkeit ihrer männerbündlerischen Geschlechtsgegner im Vordergrund zu behaupten. Auch die Regie - ein männerverliebtes Männerspiel? (Cornelia Niedermeier/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 12. 2006)