Waffen, Mord und Krieg fehlen zwar auf der heiteren Oberfläche von Viel Lärm um Nichts. Doch nur scheinbar: Die Mordfreude der fröhlichen Kriegsheimkehrer grundiert das zynische Spiel um Gefühle und Begehren, um das zur Hohlformel entleerte Wort "Liebe": Zum Zeitvertreib vor der nächsten Schlacht lieben und werben Claudio und Benedikt, angeführt von Prinz Pedro, um Hero und Beatrice, Tochter und Nichte ihres Gastgebers Leonato. Zum Zeitvertreib ertüfteln sie Intrigen, vernichten um ein Haar die Existenz der umworbenen "Erbin. Alleinerbin" Hero. Der dunkle Strom der Laotse'schen Mordfreude fließt durch die rhetorischen Duelle von Viel Lärm um Nichts. Shakespeares profunde Illusionslosigkeit, die Liebe betreffend, ist bekannt.
Jan Bosses Burgtheater-Inszenierung der 1600 uraufgeführten Komödie, die den groß angelegten Shakespeare-Zyklus am Ring eröffnet, stellt, wie auch der Elisabethaner, zwei pausen- und atemlose Stunden lang den Spaß in den Vordergrund und setzt die bedrohlichen Akzente fast unmerklich: In Zinksärgen erreichen die drei Kriegskumpels, Don Pedro, Claudio und Benedikt, das Landgut Leonatos in Messina - ein derber Spaß.
Das Ferienidyll selbst befindet sich noch im Aufbau: Dutzende Bühnenarbeiter basteln an dem weißen Plastik-Areal, in dem sich die Goldkettchen-Träger mit ihren Damen verlustieren - und erinnern vage an die stummen Opfer, auf denen der Ruhm der Wohlgenährten hockt.
Ein Bild, schnell entschwunden: Der Rest der klug um Nebenhandlungen verschlankten, auf die acht Protagonisten zentrierten Inszenierung (die Übersetzung übrigens scheint basisdemokratisch verlaufen zu sein: "Deutsche Fassung Burgtheater" verzeichnet kryptisch das Programmheft - Ihr dicken Mauern, sprecht!) ist bestes Entertainment eines auf schnell servierte, knochentrockene Pointen eingestimmten Ensembles: Shakespeares Wort-Duelle werden zielsicher aus der Hüfte geschossen - und das in jeder Hinsicht.
Prinz Proll & Co.
Brutalität ist ein Männerwitz. Nicholas Ofczarek (Prinz Pedro), mit dem wohlgerundetsten Bauch und dem goldensten Trainingsanzug Bandenführer im Geiste Proll, Christian Nickel (Claudio) mit Schnurrbart und Schlangenhemd - und schließlich uneinholbar Joachim Meyerhoff als Benedikt, den die Gefühle vom Langhaar-Brother-of-Hell zueinem blondgelockten Anzugträger veredeln. Meyerhoffs Mimik allein gereicht zur abendfüllenden Performance. Der Rest ist Zugabe.
Apropos Locken - den Perückenmachern des Burgtheaters gebühren eigene Lorbeerkränze: Was dort auf den Häuptern der acht Darsteller sprießt und löckt und fettsträhnig hängt, ist von berauschender Grässlichkeit.