Graz - "Bitte bewerfen Sie uns während der Vorstellung mit Gegenständen" - wie oft würde man im Theater alles geben, wenn eine solche Aufforderung es erlauben würde, seinen Emotionen unverfälscht freien Lauf zu lassen. Max Mayer, seit Herbst im Ensemble von Anna Badoras Schauspielhaus in Graz, und zur Zeit ebendort als Titus Feuerfuchs zu sehen, meint diese auf Pappe gepinselte Aufforderung ernst: Und so flogen an seinem Abend Bullshit , den er auf der Ebene 3 des Hauses ganz nach eigenem Geschmack inszenierte bzw. einfach laufen ließ, auch tatsächlich Stofftiere, Pölster oder gar ein Rettungsring in Richtung Bühne, wenn dem Publikum die Vorgänge rund um Mayer und Kolleginnen Sabine Friesz und Magda Tothova zu langweilig wurden.

Denn was die Schauspieler am Freitag im aus Karton und Wäscheleinen zusammen gezimmerten Bühnenbild unternahmen, war im großen und ganzen unvorbereitet - Impro-Theater könnte man im weitesten Sinne dazu sagen, oder: "sicheres Auftreten trotz vollkommener Unsicherheit", wie Mayer sein vorerst einmalig statt findendes Projekt nennt. Dass die Szenen, Monologe und Dialoge über das Fernsehen, den Kaffee, die Ängste eines Schauspielers oder Wahrsagerei eine kurzweilige, witzige, manchmal sogar böse Stunde füllten, spricht dafür, dass sich das Schauspielhaus künftig öfter auch einer performativen, unberechenbaren Schiene öffnen sollte, die in der internationalen Off-Szene seit den Siebzigern wächst und gedeiht.

Dass ein solcher an Freie Theater erinnernder Wind derzeit am Grazer Stadttheater durchaus weht, zeigt sich nicht nur am derzeitigen Gastspiel Arland Mysteries des Theaters im Bahnhof auf der Probebühne des Schauspielhauses. Auf selbiger feierte am Samstag auch das "Projekt" Sissi des 28-jährigen Berliners André Rößler Uraufführung. Pünktlich zum 25. Todestag von Romy Schneider und zur 25.000. Wiederholung der ihr verhassten Sissi-Filme im ORF knetete Rößler aus allerlei Teig mit drei Frauen (Andrea Wenzl, Therese Herberstein und Carolin Eichhorst) und drei Männern (Julian Greis, Florian Hackspiel und Franz Josef Strohmeier) einen weiblichen Golem, der - halb Sisi, halb Romy - Facetten eines Mythos ausweist.

"Sissi" goes teleshopping

Dabei schnürte sich Rößler nicht ins Stückekorsett der magersüchtigen Kaiserin, sondern ließ seine Schauspieler aus ihren Rollen treten und über ihre "erste Sissi-Erfahrung" reden wie in einer Talkshow, spielte Interviews mit Leuten auf der Straße ein und zitierte ein bitteres stern-Interview Schneiders aus dem Jahr 1981 ebenso wie einen Auftritt der nach Frankreich ausgebrochenen Aktrice, der Fernsehzuseher 1974 in Österreich empörte.

Keine stringente Erzählung, aber umso vielsagender, wenn sich die Familie etwa skurrile Fitness-Gürtel aus dem Teleshoppingkanal anlegt. (Colette M. Schmidt / DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2007)